Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wikinger meiner Traeume - Roman

Wikinger meiner Traeume - Roman

Titel: Wikinger meiner Traeume - Roman
Autoren: Josie Litton Eva Malsch
Vom Netzwerk:
der Magie seiner Worte verzauberte.
    In der Tat, dieser Junge ist verzweifelt, dachte er. Sonst würde er nach all den Meilen, die er zurückgelegt hatte, nicht so erstaunlich schnell durch den Wald laufen. Allmählich schmolz sein Vorsprung. Wenn er auch ein beachtliches Durchhaltevermögen hatte, Dragon war ein erwachsener Mann, in zahlreichen Kämpfen erprobt, auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Seine muskulösen Beine schienen über den Boden zu fliegen. Mühelos meisterte er jedes Hindernis. Und er kannte keine Gnade.
    Das schien der Junge zu erkennen, als er einen Blick über die Schulter warf. Inzwischen war Dragon so nahe an ihn herangekommen, dass er kalte Angst in den großen, von dichten Wimpern umrahmten Augen las. Plötzlich ging ihm ein neuer Gedanke durch den Sinn. Gab es einen besonderen Grund, der den Burschen zu dieser halsbrecherischen Flucht veranlasste? Eine beklemmende Erinnerung kehrte zurück. Seinem Heim von grausamen Kriegswirren entrissen, war Dragon – noch ein halbes Kind – mit seinem älteren Bruder über die
Weltmeere gesegelt. Im Laderaum des Schiffs, eines Nachts, ein Mann... Bei diesem Gedanken runzelte Dragon die Stirn, nach all den Jahren immer noch entsetzt. Verbissen hatte er gekämpft. Aber allein wäre er der Gefahr nicht entronnen. Sein Bruder Wolf – schon damals groß für sein Alter und mit jenen Fähigkeiten gerüstet, die ihm zum Ruhm eines bedeutsamen Kriegers verhelfen würden, hatte ihn gerettet. Wütend stach er den Angreifer nieder, ließ ihn im Todeskampf liegen, umarmte Dragon und schwor ihm, sie würden alle Feinde besiegen, die jemals ihre Wege kreuzen sollten. Und das gelang ihnen. Mittlerweile waren die Brüder Hakonson zu Macht und Reichtum aufgestiegen. Aber Dragon hatte nie vergessen, wie man sich fühlte, wenn man jung und hilflos und verängstigt war.
    Obwohl ihn seine milde Stimmung ärgerte, rief er dem Jungen zu: »Du musst nicht weglaufen! Keine Bange, ich werde dir nichts antun. Bleib stehen, und wir reden miteinander.«
    Damit handelte er sich einen Blick ein, der besagte, außer den unteren Regionen müsste auch noch sein Kopf verletzt worden sein. Dann beschleunigte der Bursche sein Tempo.
    Dragon seufzte. Mit langen Schritten rannte er weiter, flog durch die Luft und warf den Flüchtling zu Boden. Dabei drehte er sich blitzschnell herum, so dass er auf dem Rücken landete und dem Jungen einen schmerzhaften Sturz ersparte. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte dem kleinen Balg alle Luft aus den Lungen gepresst, denn es wehrte sich hartnäckig, trat in alle Richtungen und tat sein Bestes, um auf sämtliche verfügbaren Körperteile seines Gegners zu schlagen.
    »Lass das, jetzt reicht’s!«, stieß Dragon hervor, sprang auf, zerrte den Jungen mit sich empor und schüttelte ihn. »Beruhige dich! Ich will doch nur mit dir reden!«
    Mit dieser Erklärung erreichte er gar nichts. Das Gesicht
hochrot, die Augen weit aufgerissen, bekämpfte ihn der Kleine mit aller Kraft. Dragon ergriff die einzig richtige Maßnahme – er hielt ihn auf Armeslänge von sich und wartete ab, bis der erbitterte Widerstand langsam, aber sicher erlahmte. Schließlich ließ der Bursche die ermatteten Fäuste sinken.
    »Bist du jetzt bereit, mit mir zu reden?«, fragte Dargon freundlich.
    Der Junge schnappte mühsam nach Luft. Offensichtlich konnte er nicht sprechen, aber er warf Dragon einen finsteren, feindseligen Blick zu.
    »Nein? Gut, dann will ich mich noch eine Weile gedulden.« Am langen, starken Arm ausgestreckt, hielt er den Jungen am Kragen hoch, so dass die Beine über dem Waldboden baumelten. Mit sanfter Stimme wiederholte er: »Ich werde dir nichts antun.« Als sein Gefangener ungläubig die Brauen hob, fügte Dragon hinzu: »Eigentlich hatte ich vor, dich zu verprügeln. Das hättest du verdient. Aber du dachtest vielleicht, du müsstest dich verteidigen, nachdem ich über dich hergefallen war. Das will ich dir zugestehen. Jeder Mann hat das Recht, sich zu schützen.« Mit voller Absicht nannte er ihn einen Mann, obwohl der kleine Kerl noch Jahre brauchen würde, um einer zu werden. Vermutlich war er nicht einmal dreizehn. Jetzt, als Dragon ihn genauer betrachtete, kam er ihm jünger vor. Auf den eben noch geröteten Wangen, die nun erblassten, zeigten sich nicht die geringsten Spuren erster, zarter Barthaare. Der Junge hatte fein gezeichnete Züge, eine schmale, gerade Nase über vollen Lippen, ein sanft gerundetes Kinn.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher