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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Autoren: Pierre Pevel
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Hauptgebäude, zwei langen Flügeln, zwei Höfen und einem enormen Garten, der sich von der Rue de Richelieu bis hin zur Rue des Bons-Enfants erstreckte. Aber jetzt, im Jahre 1633, bestand er lediglich aus dem neun Jahre zuvor erworben Hôtel d’Angennes . Sein berühmter Besitzer, besorgt darüber, in Paris keinen angemessenen Wohnsitz sein Eigen nennen zu können, ließ es stetig ausbauen und verschönern.
    Als die Gunst des Schicksals dann wollte, dass er zum Verantwortlichen für die Befestigungsanlagen der Stadt ernannt wurde, dehnte er seinen Besitz zusätzlich um eine umfangreiche Fläche weit über die Stadtgrenze von Paris hinaus aus. Kurzerhand ließ er die Stadtmauer weiter nach Westen verlegen, von der Port Saint-Denis bis zur neuen Porte de la Conférence . Von dieser Vergrößerung profitierte aber nicht nur der Kardinal selbst, sondern auch die Hauptstadt: Straßen wurden gebaut, und so entstanden neue Viertel, wo es vorher nur Brachland, Gräben, einen berühmten Pferdemarkt und die ersten Ausläufer der Vorstädte von Montmartre und Saint-Honoré gegeben hatte. Leider war Richelieu dadurch auch dazu verdammt, einige Jahre auf einer riesigen Baustelle zu leben. Die imposante Palastfassade, die später von der Rue Saint-Honoré aus zu sehen sein sollte, wurde erst im Jahre 1636 fertig gestellt.
    Als er das Kardinalspalais an diesem Morgen um acht Uhr betrat, musste Leutnant Arnaud de Laincourt daher unter großen Baugerüsten hindurchschlüpfen, auf denen bereits die Arbeiter ihr Tagwerk begonnen hatten. Die Musketiere, die
gerade die Tore geöffnet hatten, erkannten ihn sogleich und salutierten respektvoll. Laincourt erwiderte den militärischen Gruß freundlich. Dann betrat er den 180 Quadratmeter gro ßen Gardesaal, dessen auffälligstes Merkmal ein gewaltiger Kamin war und in dem bereits eine Reihe gewöhnlicher Besucher auf ihre Audienz wartete. Es hatten sich nahezu zwei Duzend versammelt, aber in dem Raum wimmelte es vor allem von Rotmänteln.
    Die Wachen, die die ganze Nacht über die Sicherheit Seiner Eminenz gewacht hatten, wurden nun von der Morgenschicht abgelöst, mit der auch Laincourt seinen Dienst antrat. Fein säuberlich aufgereiht lehnten schießbereit geladene Musketen an den Waffenständern. Durch hohe, nach Süden ausgerichtete Fenster fiel das Licht in den Saal, und von den Wandvertäfelungen hallte das Stimmengewirr der Anwesenden wider.
    Arnaud de Laincourt, eine schlanke Gestalt mit geschmei digen Bewegungen, ging wohl auf sein dreißigstes Lebensjahr zu. Unter dunklen Brauen blitzten kristallblaue Augen. Die Nase war gleichmäßig geschwungen, die glatten Wangen blass. Von seinen feinen Gesichtszügen, weise und jugendlich zugleich, ging eine seltsame Anziehungskraft aus. Man hätte ihn eher für einen Philosophiestudenten an der Sorbonne als für ein Mitglied der berittenen Garde des Kardinals halten können. Der Federhut jedoch und auch der Gardemantel mit dem weißen Kreuz und den Dienstabzeichen standen ihm gut, ebenso wie das Schwert am ledernen Wehrgurt, der quer über die linken Schulter und die Brust geschnallt wurde. Als Leutnant hatte er der damaligen militärischen Hierarchie zufolge sogar den Dienstgrad eines Subalternoffiziers inne, was zwar lediglich dem niedrigsten
Offiziersgrad entsprach, aber bedeutsam genug war. Au ßerdem hieß es, der Aufstieg sei ihm sicher, so hoch schien er in Richelieus Gunst zu stehen.
    Man salutierte ihm. Er erwiderte den Gruß mit der ihm eigenen höflichen Bescheidenheit, die allem neidischen Geschwätz von vorneherein das Wasser abgrub. Dann zog er ein kleines Büchlein aus rötlichem Leder aus dem Wams und lehnte sich zum Lesen an eine Säule, in deren Nähe zwei Wachen an einem runden, einbeinigen Tischchen saßen. Der jüngere von beiden, Neuvelle, war gerade sechsundzwanzig Jahre alt und erst seit einigen Wochen bei der Garde. Das Haar seines Gefährten am Tisch war bereits ergraut. Er hieß Brussand, zählte gut vierzig Lenze und trug den Mantel der Kardinalsgarde bereits, seit die Kompanie im Jahre 1626 in Leben gerufen worden war.
    »Trotzdem«, sagte Neuvelle gerade mit überraschend tiefer Stimme. »Ich wüsste nur zu gern, wer der Edelmann war, den Ihre Eminenz heute Nacht unter größter Geheimhaltung empfangen hat. Und warum.«
    Da Brussand, dessen volle Aufmerksamkeit seiner Patience galt, nicht reagierte, fuhr der junge Mann beharrlich fort: »Bedenkt nur, dass er noch nicht einmal durch die Kontrollen in den
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