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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Autoren: Pierre Pevel
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Moment hörte man zwischen der kostbaren Vertäfelung der großen Bibliothek im Kardinalspalais nichts als den pfeifenden Atem des kleinen Drachentiers. Die Unterhaltung hatte eine ungünstige Wendung genommen, und die beiden Männer – der eine im Sitzen, der andere im Stehen – musterten einander argwöhnisch, bis La Fargue schließlich einlenkte. Doch dabei senkte er den Blick nicht, sondern starrte erneut auf den kostbaren Wandteppich hinter dem Kardinal.

    »Fordert Ihr etwa Sicherheiten, Hauptmann?«
    »Nein.«
    »Dann verstehe ich Euch nicht richtig, wie ich fürchte.«
    »Ich will damit sagen, Eminenz, dass ich nichts fordere, was mir nicht zustehen würde.»
    »Ah!«
    La Fargue pokerte hoch. Er widersetzte sich offen demjenigen, von dem es hieß, er habe mehr Einfluss auf die Regierungsgeschäfte Frankreichs als der König selbst. Der Kardinal seinerseits wusste, dass man nicht alle Schlachten mit Gewalt gewinnen konnte. Da sein Gegenüber unerschütterlich auf seiner Position beharrte – zweifellos in Kauf nehmend, den Rest seiner Tage in irgendeinem dunklen Loch zu verbringen oder gegen Wilde in den westindischen Kolonien zu kämpfen -, beugte sich Richelieu über den Tisch und kraulte mit seinem knochigen Zeigefinger den Kopf des kleinen Drachen.
    Das Tier schloss die Augen und ließ einen Seufzer des Wohlbehagens vernehmen.
    »Kleiner-Freund hier war ein Geschenk des Königs«, sagte Richelieu im Plauderton. »Seine Majestät war es auch, die ihm diesen Namen gab, und mir scheint, als habe sich die kleine Kreatur recht schnell an ihren Spitznamen gewöhnt … Wie dem auch sei, er erwartet lediglich von mir, gefüttert und gestreichelt zu werden. Das habe ich auch niemals versäumt, ebenso, wie ich es nie versäumt habe, die Interessen Frankreichs zu vertreten. Und dennoch: Sollte ich ihm plötzlich meine Fürsorge entziehen, würde Kleiner-Freund mich ungeniert beißen. Und das ohne Rücksicht auf all das Gute, das ich ihm zuvor angedeihen ließ … Das sollte einem eine Lehre sein, meint Ihr nicht?«

    Natürlich erwartete Richelieu eigentlich keine Antwort auf diese Frage. Er überließ den kleinen Drachen wieder seinem Halbschlaf und richtete sich umständlich in den Kissen seines Fauteuils auf. In der vergeblichen Hoffnung, die rheumatischen Schmerzen zu lindern, die ihn mehr und mehr quälten, rückte er sie zurecht.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht wartete er, bis der stechende Schmerz nachließ, und fuhr dann fort: »Ich weiß, dass ich Euch einst Unrecht widerfahren ließ, Hauptmann. Eure Männer und Ihr hattet uns gute Dienste erwiesen. War es gerecht, Euch damals fallen zu lassen, da wir Eure Erfolge und Verdienste der Vergangenheit nur zu gut kannten? Sicherlich nicht. Es geschah aus reiner Staatsräson. Ich halte Euch zugute, dass Ihr damals Eure Pflicht so gut wie möglich erfülltet und der Misserfolg der heiklen Mission während der Belagerung von La Rochelle letztlich nicht Euer Verschulden war. Doch vor dem Hintergrund der tragischen Wendung, die die Ereignisse nahmen, in die Ihr dort verwickelt wurdet, hatte die Krone keine andere Wahl, als sich von Euch zu distanzieren. Sie musste den Schein wahren und Euch für das, was Ihr auf geheimen Befehl hin getan hattet, offiziell verurteilen. Ihr musstet geopfert werden, selbst wenn dies bedeutete, ein unehrenhaftes Licht auf den Tod einer Eurer Männer zu werfen.»
    Widerwillig nickte La Fargue. »Die Staatsräson«, bemerkte er resigniert, während er mit dem Daumen über die Innenseite seiner Hand und den stählernen Siegelring strich.
    Der Kardinal wirkte plötzlich sehr müde und seufzte. »In Europa herrscht Krieg, Hauptmann. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wird seid fünfzehn Jahren von Schwert und Feuer verheert, und Frankreich muss sich ohne
Zweifel bald in die dortigen Kampfhandlungen einmischen. England bedroht unsere Küsten und Spanien unsere Landes grenzen. Wenn es sich nicht gerade selbst gegen uns rüstet, empfängt Lothringen mit offen Armen alle Aufständischen des Königreiches, und seit Brüssel schmiedet sogar die Königinmutter ein Komplott gegen den König. In den Provinzen brechen offene Revolten aus, und diejenigen, die sie ent fachen und anführen, sind oft auf höchster Staatsebene zu finden. Ich erspare Euch Details über Geheimparteien, die manchmal gar Söldner ausländischer Mächte sind. Die Fäden der von ihnen gesponnenen Intrigen lassen sich bis in den Louvre hinein verfolgen.«
    Eindringlich
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