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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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Abend im Schatten des Pfarrhauses verschwinden sah, fragte ich mich, wie viele Veränderungen mich sonst noch in Hannesford erwarteten.
    Vom Dorf aus gibt es keine direkte Straße nach Hannesford Court. Ein Pfad durch den Wald ist die kürzeste Verbindung, doch Autos müssen den Umweg über die neue Brücke nehmen, die bei den Uferauen über den River Hanna führt. Der Professor und ich waren oft dort spazieren gegangen; er hatte gern nach Schmetterlingen gesucht. Doch als die Scheinwerfer des Daimler an diesem Abend die vertraute Auffahrt erhellten, dachte ich nicht an den Professor, sondern nur an das, was vor mir lag.

A ls ich das erste Mal nach Hannesford kam, lag ein Gewitter in der Luft. Ich spürte die unangenehme Hitze, die sich schwer auf mich niedersenkte, als ich den Zug verließ. Außer mir stieg niemand aus. Man hatte einen Chauffeur geschickt, um mich abzuholen, und der Gepäckträger beeilte sich mit den Koffern. Während die beiden zum Auto eilten, blieb ich allein auf dem Bahnsteig, der ein Stück vom Dorf entfernt liegt, und betrachtete die sanft geschwungenen Felder und das blaue Moor in der Ferne.
    An diesem Tag veränderten sich die Farben. Ich hatte eine Welt der tristen, grauen Wohnstuben und der feuchtkalten Vorgärten hinter mir gelassen, in der selbst die strahlendste Hoffnung rasch zu Vorsicht, Vernunft und Sparsamkeit verblasste. Doch in Hannesford war nichts grau oder trist. Die Welt dort war in strahlende Farben getaucht. Selbst die Gewitterwolken, tintenschwarz und schwindelerregend, mit klaffenden Rissen in Indigo und Violett, hatten etwas Dramatisches an sich. Die Felder waren schwefelgelb, der Weizen glomm vor sich hin.
    Als der Wagen in die lange Einfahrt von Hannesford Court bog, hatte sich das Glimmen schon zu einem rebellischen Bernsteinton verdunkelt, und das Gewitter brach los. Mein erster Blick auf das alte Haus war verblüffend. Hinter den hoch aufragenden Schornsteinen blitzten grellweiß die Hänge des Moors auf. Und mit jedem neuen Aufbranden des Gewitters hob sich meine Stimmung. Das hier war Naturgewalt und Farbe und Weite, das Leben in einem Ausmaß, wie ich es noch nie gesehen hatte. Das war meine Zukunft, hier fing mein Leben an, hier würde ich Abenteuer erleben.
    Als man mich ins Haus führte – geduckt unter dem Regenschirmdes Butlers, der Rock schon nass vom Regen –, überwältigte mich beinahe der Duft der Blumen. Von irgendwoher wehte ein Hauch von Orangenblüten, und überall, auf jeder freien Fläche, standen Schalen mit Rosen.

2
    T om! Wie elegant Sie aussehen! Willkommen zurück in Hannesford. Es ist unverzeihlich , dass Sie so lange weg waren.«
    Lady Stansbury empfing mich in der Großen Halle, dem ältesten und eindrucksvollsten Teil von Hannesford Court. Der weitläufige Raum hatte eine gewölbte Decke mit freiliegenden Dachbalken und war mit einem gewaltigen Kamin ausgestattet. In einer dunklen Ecke führte eine Treppe aus der Tudorzeit auf die Galerie empor. Dort stand bereits, wie es die Tradition verlangte, ein angemessen dunkler und geheimnisvoller Weihnachtsbaum, der darauf wartete, geschmückt zu werden.
    Die Stimme meiner Gastgeberin klang genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte, hell und melodisch. Es war eine Stimme, die erregte Gemüter besänftigen und gelangweilte Gäste bezaubern konnte. Doch ich bemerkte sofort, dass sich Lady Stansbury in anderer Hinsicht sehr verändert hatte. Ich hatte ihr seit meinem letzten Besuch mehrmals geschrieben, zunächst höfliche Briefe, in denen ich von meinen Beförderungen berichtete, später dann, um beim Tod gemeinsamer Freunde zu kondolieren, worin wir alle im Lauf der Jahre so geübt geworden waren. Ihre Antworten hatten mich nicht auf irgendeine Veränderung an ihr vorbereitet. Sie hatte stets einen Ton wohlwollender Herablassung bewahrt, als könnte nichts auch nur einen Moment lang die Festung ihrer Selbstbeherrschung erschüttern.
    Doch als ich ihr gegenüberstand, sah ich das Leid, das sich in ihr Gesicht gegraben hatte. Sie wirkte viel älter als früher, schmal und zerbrechlich, als wäre sie urplötzlich gealtert, ein jäher Vorgang, der sie wie eine Strafe getroffen hatte. Die Knochen hatten die Rundung der Wangen verdrängt, und ihr Haar wirkte dünner, so dass sich die Form des Schädels deutlicher abzeichnete. Der Eindruck verwöhnter Zeitlosigkeit, der früher ihr Äußeres geprägt hatte, war völlig verschwunden.
    Und noch etwas anderes hatte sich verändert. Seit ich sie
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