Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
mein Glück, die ungelernten Pflegerinnen hatten im Lazarett einen schweren Stand. Werden Sie abgeholt?«
    »Der Wagen dürfte wie üblich draußen auf der Straße stehen. Ich habe Lady Stansbury die Ankunftszeit telegrafiert.«
    »Gut«, erwiderte sie fröhlich. »Das spart mir den Fußweg. Sie können mich am Pfarrhaus absetzen.«
    Das war nun eine Überraschung.
    »Am Pfarrhaus? Wohnen Sie nicht mehr in Hannesford Court?«
    »Die Zeiten haben sich geändert.« Sie lächelte zu mir auf. »Ich bin jetzt im Pfarrhaus und kümmere mich um Mrs Uttley. Der Ärmsten geht es leider gar nicht gut.«
    Das beantwortete meine Frage nur halb.
    »Aber wie ist es dazu gekommen? Ich hätte gedacht, dass Lady Stansbury Sie um jeden Preis zurückhaben wollte.«
    Ich war aufrichtig verwundert. Hannesford Court ohne die stille Anne Gregory im Hintergrund konnte ich mir gar nicht vorstellen.
    »Sie hat mir in der Tat einen sehr netten Brief geschrieben. Aber ich wollte nicht zurück. Kommen Sie, der Fahrer wartet.«
    Nachdem ein Chauffeur, den wir beide nicht kannten, das Gepäck in dem vertrauten Wagen verstaut hatte, hörte ich mir einen präzisen, aber blutleeren Bericht über Annes Lazarettdienst an, eine Reihe von Daten und Ortsnamen, London, Folkestone, Belgien, Frankreich. Mir wurde klar, dass sie diese Rede schon öfter gehalten hatte, eingeübte Worte, steril geworden durch die ständige Wiederholung. Sie sagten alles und nichts. Und waren in dieser Hinsicht seltsam vertraut. Denn ich hatte meine eigene abgenutzte Litanei von Ereignissen und Daten. In Annes gesprächiger Zurückhaltung spiegelte sich etwas, das uns beide verband.
    Als ihr Bericht zu Ende war, fragte sie nicht, wie es mir ergangen war. Stattdessen redeten wir über London und unsere Reise. Ich erzählte, wie schmutzig der Zug gewesen war, in dem ich von der Küste gekommen war, und sie beklagte sich, dass es zu wenig Autobusse in London gab, die überdies unzuverlässig waren. Ich kam gar nicht auf die Idee zu fragen, weshalb sie in der Stadt gewesen war, und erst als wir das Pfarrhaus fast erreicht hatten, kamen wir auf Hannesford Court zu sprechen. Als die Schornsteine über den Hecken auftauchten, schwiegen wir beide kurz.
    »Wissen Sie noch?«, fragte ich. »Als ich das letzte Mal hier war, habe ich Ihnen gesagt, ich würde nie mehr zurückkommen.«
    »Ja, das weiß ich noch.« Sie sah zu, wie die dunklen Hecken draußen am Fenster vorbeizogen. »Und als ich michzum Lazarettdienst gemeldet habe, habe ich das Gleiche gedacht. Und doch sind wir beide wieder hier.«
    »Aber wieso das Pfarrhaus, Anne? Das haben Sie mir immer noch nicht erklärt.«
    Wir fuhren ins Dorf und auf die Kirche zu, die sich schattenhaft vor dem noch nicht ganz dunklen Himmel abzeichnete. Einen Moment schaute Anne schweigend in den Abend hinein.
    »Es ist komisch, nicht? Als Lady Stansbury mich damals nach Hannesford holte, wollte sie mich vor einem Dasein als Krankenschwester bewahren. Sie hielt es für skandalös, dass die Tochter ihrer ältesten Freundin so tief gesunken war. Also kam ich her und machte mich nützlich. Gehörte beinahe zur Familie, kam aber immer als Letzte zu Tisch. Dann wurden irgendwo weit weg ein paar Schüsse abgefeuert, und plötzlich rissen sich all diese perfekten, eleganten jungen Damen förmlich darum, Krankenschwester zu werden. Eine seltsame Welt!«
    Sie schaute mich an. »Lady Stansbury war ehrlich überzeugt, es sei das größte Geschenk, jemanden hierherzuholen. Doch als ich in Frankreich im Lazarett gearbeitet habe, wurde mir klar, dass ich nicht mehr zurück konnte.«
    Sie sprach mit einer so ruhigen Gewissheit, dass ich sie fast beneidete.
    »Aber was wollen Sie stattdessen machen?«
    In ihrem Lächeln schwebten Geister.
    »Krankenschwestern sind sehr gefragt, Tom. Es gibt immer noch viele junge Männer, die Pflege brauchen. Falls nicht hier, dann in Übersee. Zunächst aber kümmere ich mich um Mrs Uttley. Sie war immer sehr gut zu mir, während ich in Hannesford gelebt habe. Und es ging ihr so schlecht, als sie mir schrieb. Ich glaube, ich habe zugesagt, weil ich wusste … dass es nicht auf Dauer sein würde.« Der Wagen hielt an. »Haben Sie noch Zeit, kurz mit hereinzukommen? Die beiden würden sich so freuen, Sie zu sehen.«
    Ich versprach, den Pfarrer und seine Frau am nächsten Tag zu besuchen. In mancher Hinsicht waren Anne und ich zwei unabhängige Planeten gewesen, die den feurigen Stern der Stansburys umkreisten. Als ich sie an diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher