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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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prächtiger Bursche. Haben Sie Kinder, Sir?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Ich bin nicht verheiratet.«
    Der Mann lächelte. Er schien kein Selbstmitleid zu empfinden, was mich demütig werden ließ. »Nun, da Sie es überstanden haben, bleibt dafür genügend Zeit.«
    Er nahm die Münze entgegen, die ich ihm anbot, und schob sie in seinen Mantel. Dann versuchte er erneut, strammzustehen. Als ich mich an der Sperre noch einmal umdrehte, schien sein Geschäft zu florieren. Doch mir fiel auf, dass nur wenige Leute lange genug verweilten, um dem Verkäufer in die Augen zu sehen.
    Der Zug, der Paddington an diesem Dezembernachmittag verließ, war bei weitem nicht voll, und ich fand ein Abteil in der Ersten Klasse, in dem außer mir nur eine ältere Dame saß. Sie nickte kurz und widmete sich wieder ihrem Buch. In denersten zwanzig Minuten saßen wir schweigend da, und ich verfiel durch die gleichförmige Bewegung des Zuges in eine Art Träumerei, als sie mich plötzlich mit Namen ansprach.
    »Ich hoffe, Sie verzeihen die Störung, aber ich glaube, wir kennen uns. Captain Allen, nicht wahr?«
    Ich hatte auf die vorbeieilenden Felder und Hecken geschaut, drehte mich nun aber höflich um und richtete mich auf. Ihr Gesicht war mir unbekannt.
    »Ja, ich bin Tom Allen. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe ungeniert vor mich hin geträumt. Und es tut mir leid … aber ich kann mir Gesichter so schlecht merken …«
    »Keine Ursache, keine Ursache«, sagte sie rasch und tat meine Entschuldigung ab. »Ich bin Miss Westerley, die Tante von Lieutenant Farrell. Wir haben uns einmal ganz kurz im Savoy kennengelernt. Ich habe gar nicht erwartet, dass Sie sich an mich erinnern. Es ist schon drei Jahre her, und seither ist natürlich viel passiert …«
    Ich versuchte, mich auf einen Ort und eine Zeit zu konzentrieren, die mir unvorstellbar weit weg erschienen.
    »Ja, natürlich, jetzt erinnere ich mich …« Und es stimmte, denn ich erinnerte mich schwach an einen Abend mit Farrell, an dem ich irgendwelchen Leuten vorgestellt worden war.
    »Vermutlich ist es mir sehr viel besser im Gedächtnis geblieben als Ihnen«, fuhr Miss Westerley fort. »Damals habe ich James zum letzten Mal gesehen. Ich muss oft daran denken.« Sie gestattete sich eine flüchtige Pause, bevor sie weitersprach. »Sie waren damals noch kein Captain. Ich gratuliere zur Beförderung.«
    Ich zuckte verlegen mit den Schultern und murmelte etwas von wegen Glück und was für ein feiner Kerl Farrell gewesen sei, bis sie mich mit einer unwilligen Handbewegung zum Schweigen brachte.
    »Ich bin mir sicher, Ihr Glück war wohlverdient, Captain. Haben Sie weit zu fahren?«
    »Bis nach Hannesford. In Devon.«
    »Ja, ja, ich kenne Hannesford. Sind Sie mit den Stansburys befreundet?«
    »Ich kenne sie schon eine ganze Weile, obwohl ich lange nicht mehr dort gewesen bin. Ich habe sie einige Jahre vor dem Krieg kennengelernt, als meine Mutter im Sommer ein Haus in der Nähe gemietet hatte. Die Kinder waren etwa in meinem Alter.«
    »Ach ja!« Ein belustigter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Harry und Margot, die berühmten Stansbury-Kinder. Es gab noch mehr, nicht wahr?«
    »Insgesamt fünf. Aber Harry und Margot waren die, die jeder kannte.«
    »Das kann man wohl sagen.« Sie sagte es in einem eher trockenen Ton, als wäre sie nicht ganz davon überzeugt, dass sie die Aufmerksamkeit verdienten. »Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der alle über sie sprachen. Sie haben London im Sturm erobert. Waren sie wirklich so bemerkenswert?«
    Nicht zum ersten Mal war ich unschlüssig, wie ich diese Frage beantworten sollte. Wie konnte man dieses Paar beschreiben, das die elegante Gesellschaft einmal derart betört hatte? Man hatte mich oft danach gefragt, und doch fiel mir noch immer keine passende Antwort ein.
    »Das ist schwer zu sagen«, erwiderte ich ausweichend. »Sie wurden gewiss sehr bewundert.«
    Miss Westerley schüttelte traurig den Kopf. »So viele unserer klügsten und besten …«, murmelte sie. Ein Satz, den man nicht vervollständigen musste. »So eine furchtbare Geschichte. Lebt Ihre Mutter noch in Hannesford, Captain Allen?«
    Ich entgegnete, sie sei schon vor dem Krieg nach Südfrankreich gezogen. Miss Westerley nickte und sah mich prüfend an.
    »Sie sind noch in Uniform, Captain. Heißt das, Sie wollen Ihre Armeelaufbahn fortsetzen?«
    »Ganz und gar nicht.« Das Entsetzen stand mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn sie lächelte. »Das ist mein
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