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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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schreiben. Seine Hartnäckigkeit war erstaunlich, da er mir nie sehr beharrlich erschienen war. Wir waren einander oft in Hannesford Court begegnet, ohne uns nahezustehen. Selbst nach den Maßstäben, die für Harry Stansburys Freundeskreis galten, war Masters eine schillernde, eher lächerliche Figur gewesen. Er hatte bei Kriegsausbruch einen sicheren Posten in einem Ministerium gehabt, und ich war daher ziemlich überrascht, als ich ihm wenige Jahre später im Strand begegnete und feststellte, dass er als Offizier in einem Infanterieregiment diente. Die Begegnung war recht herzlich gewesen, doch Masters hatte mich keineswegs als Vertrauten behandelt. Deshalb erregte der Inhalt dieses neuen Briefes wohl auch meine Neugier.

    Vielen Dank für deine Antwort, alter Junge. Alles sehr beruhigend. Dennoch, falls du rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause bist, solltest du versuchen, nach Hannesford zu kommen. Ich werde die ganze Zeit dort sein – bis die Champagnerkorken verstummen –, und ich wollte mit dir über etwas reden. Es ist ziemlich heikel – Gott behüte, womöglich sogar geschmacklos –, so dass ich dir sehr verbunden wäre, wenn du es gegenüber Sir Robert und seiner werten Lady oder irgendeinem anderen Mitglied des Clans nicht erwähnen würdest. Ich will jetzt nicht zu viel verraten, alter Junge, aber es hat mit Schmidt zu tun. Wenn ich mich recht entsinne, wart ihr Freunde …
    Und es stimmte. Auf unsere Weise waren wir wohl Freunde gewesen. Aber ich musste mir auch eingestehen, dass Hannesford Court in jenen letzten Tagen so viele Ablenkungen für mich bereitgehalten hatte, dass ich nicht so auf den Professor geachtet hatte, wie ein Freund es hätte tun sollen.
    Das menschliche Gedächtnis ist eigenwillig. Ich habe erlebt,wie es von einem winzigen Splitter glühenden Stahls zerschmettert wird, wie eine Kirche von Granaten. Bestimmte Teile werden zertrümmert, andere bleiben auf geheimnisvolle Weise unversehrt. Doch es kann sich auch hartnäckig halten wie das Gras auf den Ebenen Flanderns und langsam zurück ins Sonnenlicht kriechen, nachdem die Bombardierung vorüber ist. Von dem Abend, an dem der Professor starb, sind mir lebhafte Bruchstücke in Erinnerung geblieben: die dunkle Terrasse, die Hitze, der schwere Duft der Rosen; die samtenen Schatten, in denen ich stand, erfüllt von Selbstmitleid; die Kapelle, die den ›Fairy Waltz‹ spielte. Und die leicht absurde Gestalt des Professors, der langsam die Stufen vom Rasen heraufkam, sich plötzlich an die Brust griff und in sich zusammensackte. Ich konnte mich erinnern, dass Anne Gregory vor mir bei ihm gewesen war. Sie hatte Tränen in den Augen gehabt.
    Der Abend, an dem der Professor starb, war mein letzter Abend in Hannesford gewesen. Es war der Abend, an dem ich mir geschworen hatte, Margot Stansbury nie wieder freiwillig gegenüberzutreten.

A ls es hieß, er käme heim, schnitten sie gerade Stechpalmen in den Wäldern unterhalb von Hannesford Court.
    Ich hörte das Gerücht vom Pfarrer. Es war einer dieser strahlenden Dezembermorgen, an denen der Boden hart gefroren und der Himmel sehr klar ist, an denen der Frost sein Muster in jeden Zweig und jeden Busch und jedes Spinnennetz prägt.
    Es war ein gutes Jahr für Beeren gewesen – die Hecken waren voll davon –, und die dornenbesetzten Zweige, mit denen Hannesford Court am Heiligen Abend verschwenderisch geschmückt sein würde, leuchteten in prachtvollem Scharlachrot.
    Die Bäume waren wild gewuchert, solange man sie vernachlässigt hatte, wurden nun aber wieder geschnitten. Nach einer Reihe bitterer, lautloser Winter hatte die Familie Stansbury beschlossen, dass Weihnachten wieder gefeiert werden sollte.
    »Anne, ich habe Neuigkeiten. Es heißt, Tom Allen werde demobilisiert«, erzählte mir der Pfarrer bei seiner Rückkehr ins Pfarrhaus. »Ich habe es von Lady Stansbury, die es wiederum von jemandem im Ministerium gehört hat. Was für eine Gnade, dass er das alles überstanden hat, nicht wahr?« Er sprach in munterem Ton. Nur wenige aus Hannesford hatten es überstanden. »Es wäre wunderbar, ihn wiederzusehen. Vielleicht begegnen Sie ihm sogar in London, Anne. Oder wir treffen ihn  hier. Er ist doch immer an Weihnachten hergekommen, oder?«
    »Ja, das stimmt.« Ich hatte meine Näharbeit beiseitegelegt, um ihn zu begrüßen, nahm seinen Hut und Mantel in Empfangund platzierte die Handschuhe behutsam auf der Ablage im Hausflur.
    »Aber das war vorher. Vieles hat sich verändert. Wer
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