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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman
Autoren: Jessica Stirling
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hatte ihr erzählt, Dr. Glendinning und sein buckliger Gehilfe würden in dem langen Raum hinter dem Haus gern Leichen aufschneiden, mit Vorliebe die Leichen schlechter junger Mädchen, die von ihren Familien verstoßen worden waren, weil sie sich mit Jungen eingelassen hatten.
    »Wer – wer ist da? Wer ist da?«, flüsterte Rose.
    Feuerstein und Kerze standen auf ihrem Nachttisch in der Ecke. Sie wagte es nicht, aus dem Bett zu steigen, um sie zu holen. Doch da rief eine gedämpfte Stimme:
    »Rose, Rose, meine Liebe, ich bin es, Tom.«
    »Tom?« Sie runzelte die Stirn. »Welcher Tom?«
    »Tom Brodie natürlich.«
    Sie stand auf und schlurfte durch das Zimmer ans Fenster, das unten einen Spalt offen stand, eine Lücke, offenbar breit genug für die Fingerspitzen des jungen Mr. Brodie, der, so vermutete Rose, genügend Hebelkraft gewonnen hatte, um sich mit einem Bein auf den schmalen Sims hochzustemmen.
    Fröstelnd in ihrem dünnen Nachthemd, warf sie einen Blick zurück zur Tür.
    Bald nachdem Mama verstorben war, hatte Papa Mrs. Prole ins Schlafzimmer hinter der Küche umquartiert und »aus praktischen Gründen« – so Papas Worte – Rose auf den Dachboden verbannt.
    Mit angehaltenem Atem wartete sie darauf, dass ihr Vater ins Zimmer stürzen und nach Blut schreien würde, aber als er nicht erschien, kniete sie sich ans Fenster und flüsterte: »Was tun Sie denn hier, Thomas Brodie? Was wollen Sie?«
    Die Wange an die Scheibe gepresst, flehte er sie an, das Fenster zu öffnen.
    »Das werde ich nicht tun«, sagte Rose.
    »Bitte, meine Liebe, bitte!«
    Sie warf noch einmal einen Blick über die Schulter, dann hob sie das Fenster um ein paar Zoll an. Ächzend und keuchend zwängte Tom Brodie die Arme durch die Öffnung und kauerte sich, die Knie bis zur Brust angezogen, auf den Sims wie eine riesige Krähe.
    »Mehr«, drängte er.
    »Nein«, entgegnete Rose. »Das ist weit genug.«
    »Wollen Sie mich nicht in Ihr Heiligtum einlassen?«
    »Das will ich ganz gewiss nicht«, sagte Rose. »Wenn Sie nicht weggehen, werde ich meinen Vater rufen – und Sie wissen, was Ihnen dann blüht.«
    »Haben Sie etwa Angst vor mir, Rose?«, fragte Tom Brodie. »Haben Sie Angst, Sie könnten der Leidenschaft erliegen, die in Ihrer Brust lauert?«
    »Was faseln Sie denn da?«
    »Gegenseitige Leidenschaft.«
    »Wie bitte?«
    Regenwasser tropfte ihm aus Haaren, Nase und Ohren. Sein Mantel war schwarz vom Regen, und Wassertropfen klatschten von seinen Ärmeln auf die Dielen. »Gegenseitige«, sagte er mit einer Spur Ungeduld in der Stimme. »Erwiderte. Geteilte. Oder ist es das Wort ›Leidenschaft‹, das Sie nicht verstehen, meine süße, unschuldige Rose?«
    Er sprach in einem abgehackten Ton, wie ein Pfarrer, der aus der Bibel las. Rose war nicht geschmeichelt von dem gespreizten Ton.
    Sie hatte erst ein einziges Mal mit ihm geredet; und es war nur ein kurzer, kaum denkwürdiger Wortwechsel über das Wetter gewesen, als Thomas Brodie ihr auf dem Anger begegnet war. Sie hatte nicht einmal mit ihm geflirtet, wie sie mit dem fremden Gentleman geflirtet hatte, der ihren Vater aufgesucht hatte, um ihm eine Maschine zu verkaufen, die die Flachsstängel sauber und schnell brechen würde. Papa hatte die Maschine nicht erworben, aber er hatte die Aufmerksamkeit bemerkt, mit der der gut aussehende junge Mann sie, Rose, beim Abendessen überhäuft hatte, und wie eifrig sie darauf eingegangen war. Ihr Vater hatte sie früh ins Bett gesteckt und ihre Tür mit einem eisernen Schlüssel abgesperrt. Am nächsten Morgen, nachdem der fremde Gentleman abgereist war, hatte Papa sie mit einer Weidenrute ausgepeitscht als Bestrafung dafür, dass sie einem Fremden schöne Augen gemacht hatte.
    »Ich weiß, was Leidenschaft heißt«, sagte sie.
    »Wirklich?«, fragte Tom Brodie. »Wissen Sie, was für ein Feuer Sie in mir entfacht haben, liebe Rose? Wie dieses Feuer wütet, wenn ich Ihrer Schönheit ansichtig werde? Lassen Sie mich herein!«
    » Nein! «
    »Dann einen Kuss, einen einzigen Kuss nur, ein Schweben auf den Flügeln der Ekstase, und ich werde fort sein.«
    »Versprochen?«
    »Mein Ehrenwort, versprochen.«
    Sie presste die Knie zusammen, bedeckte ihre Brüste, beugte sich vor und stützte das Kinn auf den Fensterrahmen.
    »Ich kann nicht.« Tom Brodie kletterte noch etwas höher. »Ich kann Sie nicht erreichen.«
    »Dann versuchen Sie doch, mit den Flügeln der Ekstase zu schlagen«, schlug Rose vor.
    Und auf einmal war Tom Brodie
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