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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman
Autoren: Jessica Stirling
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könnte, mittellos und ohne Reue wie der verlorene Sohn.
    Agnes hegte keine solchen Skrupel. Als sie von den Klatschmäulern an der Kirchenpforte umringt wurde, erzählte sie ihnen die Wahrheit, wie sie sie kannte: dass Tom ins Ausland gegangen war, um sich auf anständige Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und es Henry überlassen hatte, Hawkshill zu bewirtschaften. So dreist die Damen von Hayes auch sein mochten, waren sie doch nicht frech genug, um sich bei Mrs. Brodie zu erkundigen, wie viele vaterlose Bälger Tom nun eigentlich zurückgelassen hatte oder welche hübsche Maid vielleicht noch einen kleinen Brodie in ihrem Schoß trug. Aber sie musterten Betsy eingehend und tuschelten über ihren weiten Mantel, der nach Ansicht einiger dieser Drachen eine Vielzahl von Sünden oder, vermutlich eher, nur eine einzige verbergen konnte.
    Eine Woche verstrich, dann noch eine. Henry schüttelte seine Depression ab und machte sich daran, das kleine Feld ein zweites Mal zu pflügen, und während Betsy den Wagen lenkte, verteilte er großzügige Mengen Pferdemist in den Furchen.
    Es war die falsche Jahreszeit, um Tagelöhner anzuheuern, und in ganz Hayes waren keine Arbeitskräfte zu finden. Henry ließ kundtun, dass auf Hawkshill ein auf dem Hof lebender Viehtreiber gesucht wurde, und ritt sogar zu Johnny Rankine hinüber, in der Hoffnung, der alte Mann könnte einen Knecht entbehren. Doch Johnny war Henry keine Hilfe. Er sah in dem jüngeren der Brodie-Brüder keinen echten Kerl, denn ein solcher war in Johnnys Augen ein Mann mit einem unstillbaren Durst nach hartem Schnaps und dem Willen, alles zu mähen, was Röcke trug. Betsy nahm an, dass die Begegnung mit wilden Anschuldigungen geendet hatte, aber Henry weigerte sich, genau auszuführen, was geredet worden war. Auch sagte er ihr nicht, er habe gegenüber Rankine die Beherrschung verloren, um ihren guten Namen zu verteidigen.
    Das erste Anzeichen, dass der Winter noch nicht vorüber war, gab es in den letzten Februartagen, als eine trockene Kälte heulende Stürme und Fluten von Eisregen ankündigte.
    Betsy und Henry stapften zum Moor hoch, um die Schafböcke von der Heide zu holen und sie zu den lammenden Mutterschafen in den Schutz des Pferchs zu treiben.
    Der Schafspferch bestand jetzt nur noch aus aufgeweichtem schwarzem Schlamm, den die Hufe der unruhigen Mutterschafe aufgewühlt hatten. Der Wind peitschte durch die Zweige über ihnen und schleuderte das Stroh in alle Richtungen, das Henry herbeigeschafft hatte, um den Boden zu festigen. Mit brennenden Wangen und laufender Nase sammelte Betsy so viel loses Stroh ein, wie sie konnte, jagte ihm an der Mauer hinterher und trampelte es im Pferch fest, um den Schafen mehr Halt und eine anständige Schlafstatt zu geben, auf die sie sich legen konnten. Um drei Uhr war der Himmel bereits stockfinster, und eine gewaltige dunkle Wolkenwand erstreckte sich über den Horizont und schob sich langsam über den Rand des Moors.
    »Bei Gott, das bedeutet Schnee«, brummte Henry. »Oje, nicht noch so ein Frühling wie letztes Jahr!«
    Betsy war mit Strohhalmen übersät, ihr lief die Nase, ihre Lippen waren aufgesprungen und ihre Hände durchgefroren.
    Der arme Henry war um keinen Deut besser dran, seine Stiefel waren verkrustet wie Elefantenhaut, sein zerschlissener alter Mantel flatterte ihm wie wild um die Beine, und sein Mund hing herunter wie ein Fisch an einem Haken. Henry stemmte sich gegen den beißenden Wind, und die Schafe drückten sich gegen ihn. Mit der Handfläche nach oben streckte er eine Hand aus und fing die erste körnige Schneeflocke auf. Er betrachtete die Flocke, wandte sich um und sagte: »Das ist doch Schnee, oder, Betsy?«
    Sie stützte sich mit einem Unterarm ab, während sie die körnige Flocke mit der Zungenspitze aus seiner Hand pickte. Nachdenklich sah Betsy erst in die eine, dann in die andere Richtung, grübelte über den Geschmack und die Struktur nach und verkündete schließlich mit ernster Stimme ihr Urteil.
    »Aye, Henry, das ist Schnee.«
    Er starrte sie einen Augenblick lang ausdruckslos an, dann lachte er schallend auf und schubste und jagte sie durch den Morast und über die Mauer. Und während die harten kleinen Flocken um sie herum dick und schnell fielen, holte er sie ein und drückte sie gegen den Giebel der Scheune. In einer Geste, die fast geckenhaft war, hob er die Hand, und Betsy wischte sich gehorsam die Nase an seinem Ärmel ab, bevor er sie küsste.
    »Für zwei Nadeln,
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