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Wie Sommerregen in der Wueste

Wie Sommerregen in der Wueste

Titel: Wie Sommerregen in der Wueste
Autoren: Nora Roberts
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verdeutlichen.«
    »Warum wollen Sie mir am liebsten die Augen auskratzen? Weil ich ein Mann bin oder weil ich Architekt bin oder weil ich von der Ostküste stamme?«
    Die Frage an sich hätte sie nicht in Rage versetzt, überhaupt nicht. Aber Craig grinste dabei. Und in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft hätte sie ihn dafür schon mindestens ein halbes Dutzend Mal erwürgen können. Stattdessen musterte sie Craig kühl.
    »Ihr Geschlecht ist mir verdammt gleichgültig.«
    Sein aufreizendes Lächeln hielt an. »Sie schwenken gern rote Fahnen vor Stieren, Wilson?«
    »Ja.« Jetzt lächelte sie, was jedoch nicht das herausfordernde Blitzen in ihren Augen abschwächte. »Um meine Antwort zu vollenden: Architekten sind häufig wichtigtuerische, launische Künstler, die ihre ganze Selbstverliebtheit zu Papier bringen und von Ingenieuren und Handwerkern erwarten, dass die sie für die Nachwelt verewigen. Damit kann ich leben. Ich kann es sogar respektieren – wenn der Architekt einen offenen Blick auf die Bedingungen wirft und mit ihnen plant statt für sich allein. Und was Ihre Herkunft von der Ostküste angeht, das könnte das größte Problem sein. Sie verstehen die Wüste, die Berge, einfach das ganze Land hier nicht. Die Vorstellung, wie Sie mehr als zweitausend Meilen entfernt unter einem Orangenbaum sitzen und entscheiden, womit die Menschen hier leben müssen, gefällt mir überhaupt nicht.«
    Da er mehr an ihr als an seiner Selbstverteidigung interessiert war, verschwieg er, dass er schon vor Monaten hier gewesen und auch die grundsätzliche Planung hier entstanden war. »Wenn Sie es nicht bauen wollen, warum machen Sie es dann?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht bauen will. Aber ich habe es auch nie für nötig gehalten, zu zerstören, um zu bauen.«
    »Jedes Mal, wenn man eine Schaufel in den Boden stößt, nimmt man Land weg. Das ist das Leben.«
    »Jedes Mal, wenn man Land wegnimmt, sollte man angestrengt darüber nachdenken, was man dafür zurückgibt. Das ist Moral.«
    »Eine Ingenieurin und Philosophin.« Er zog sie bewusst auf und beobachtete, wie die Zornesröte in ihr Gesicht stieg. »Bevor Sie mir wieder etwas über den Kopf schütten, einigen wir uns besser darauf, dass ich Ihnen zustimme – bis zu einem bestimmten Grad. Und wir haben hier auch kein Neon und Plastik geplant. Ob Sie nun meinem Entwurf zustimmen oder nicht, es ist mein Entwurf. Und es ist Ihr Job, ihn zu verwirklichen.«
    »Ich weiß, was mein Job ist.«
    »Dann ist es ja gut.« Als sei damit ihre Unstimmigkeit bereinigt, rollte Craig die Pläne zusammen. »Wie wäre es mit Dinner?«
    »Wie bitte?«
    »Dinner. Ich würde gern mit Ihnen essen.«
    Amy war sich nicht ganz sicher, ob das die lächerlichste Bemerkung gewesen war, die sie jemals gehört hatte, doch auf alle Fälle war sie unter den ersten zehn platziert. »Nein danke.«
    »Sind Sie verheiratet?« Das wäre von Bedeutung.
    »Nein.«
    »Verlobt?« Das wäre weniger von Bedeutung.
    Geduld war nicht ihre ausgeprägteste Eigenschaft. Und Amy bemühte sich auch gar nicht erst darum. »Das geht Sie nichts an.«
    »Sie sind schlagfertig, Rotschopf. Das gefällt mir.«
    »Sie sind anmaßend, Johnson. Das gefällt mir nicht.« Sie ging zur Tür. »Wenn Sie Fragen haben, die mit dem Bau zu tun haben, stehe ich zur Verfügung.«
    Er brauchte nur wenige Schritte zu machen, um eine Hand auf ihre Schulter legen zu können. Craig spürte, wie sie sich unter seiner Berührung anspannte. »Ich auch«, erinnerte er sie. »Und das Dinner verschieben wir einfach. Immerhin schulden Sie mir ein Bier.«
    Mit einem zufriedenen Blick trat Amy hinaus in die Sonne.
    Craig war wirklich nicht das, was sie erwartet hatte. Er war attraktiv, aber damit konnte sie umgehen. Wenn eine Frau beruflich in eine Männerdomäne einbrach, kam sie einfach hin und wieder in Kontakt mit einem attraktiven Mann. Doch Craig machte eher den Eindruck eines Arbeiters als den des Teilhabers einer der Toparchitekturfirmen des Landes. Sein dunkelblondes Haar mit den von der Sonne gebleichten Spitzen war etwas zu lang für die feineren Kreise. Seine kräftigen, schwieligen Hände waren die eines arbeitenden Menschen. Amy bewegte die Schultern, als wolle sie die Erinnerung an seine Berührung abschütteln. Und dann war da seine Stimme und diese Eigenart des gedehnten und ironisch betonten Sprechens.
    Sie setzte ihren Schutzhelm auf, als sie sich dem Stahlgerüst des Gebäudes näherte. Bestimmt gab es Frauen, die
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