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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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der Wahl des Schlafplatzes eher einem anderen Herdenmitglied zu, nämlich einer erfahrenen Stute, die daraufhin als „Leitstute“ bezeichnet wurde. Lange Zeit glaubte man nun an eine konsequente Arbeitsteilung, wobei der Hengst für die Verteidigung, den Zusammenhalt der Gruppe und die Fortpflanzung zuständig war, während die Leitstute für die Wanderungsrichtung und für die Harmonie in der Gruppe verantwortlich war.
     

    Eine lineare „Hackordnung“ gibt es bei Pferden nicht. Wer den Artgenossen an der Wasserstelle verjagt, kann trotzdem gut mit ihm befreundet sein.
     
    Nun verdichteten sich in den letzten Jahren die Indizien, dass es durchaus sehr aggressive Stuten gibt und dass keineswegs immer der Hengst den Beobachtungen zufolge an der Spitze der Rangordnung steht. Man muss so langsam einsehen, dass es sich auch bei einer Pferdeherde um eine Ansammlung von unterschiedlichen Persönlichkeiten handelt, die manchmal geschlechtsspezifisch typisch ausgeprägt sein können, aber oft eben auch sehr individuelle, angeborene oder erlernte Charakterzüge widerspiegeln. So ist es eine Frage der Perspektive, wer in einer Herde „das Sagen“ hat. Ist es derjenige, der physisch überlegen ist, der die meisten anderen Herdenmitglieder unterdrücken kann, der die meisten Nachkommen hat oder der wichtige Entscheidungen treffen kann? Schnell wird deutlich, dass je nach individueller Einschätzung die Rangordnung in der Gruppe von außen komplett unterschiedlich wahrgenommen werden kann.
    Hinzu kommt, dass Verhaltensbiologen in verschiedenen Studien Dreiecksbeziehungen und kompliziertere Formen als eine lineare Rangordnung beschrieben haben. Diese kann man sich vorstellen nach dem Muster A dominiert B, B dominiert C, während C aber wiederum A dominiert ... Wer ist nun ranghöher? Rang kann also keine absolute Position sein, sondern nur helfen, ein dynamisches Gruppengefüge zu verstehen. Dominanz ist hier ein Merkmal, das nur für die Beschreibung einer konkreten Situation zwischen zwei Tieren sinnvoll ist. Kein Tier ist generell dominant, daher ist es müßig, von dominanten Pferden zu sprechen, die durch ein Dominanztraining beherrscht werden sollen.
    Die heutige Verhaltensforschung sieht in der Pferdeherde eine kooperative Gemeinschaft von Individuen. Jedes Pferd spielt eine bestimmte individuelle Rolle. Während es den nahen Kontakt durch einen bestimmten Artgenossen toleriert, hält es einen anderen auf Abstand. Freundschaften haben weder mit dem Geschlecht noch mit dem Alter der Tiere zu tun. Besonders mutige Tiere verteidigen sich und ihre Gruppe eher als andere, besonders sensible wittern möglicherweise häufiger eine Wasserstelle – ihnen folgen die anderen Pferde widerspruchslos, auch wenn sie sonst vielleicht besonders ängstlich sind. Ein älteres Pferd kennt die Umgebung meist besser als ein junges, daher ist es für die anderen sinnvoll, diesem „weisen“ Tier zu vertrauen.
     
    Die Herde – Konfliktherd und Ruheoase

Pferde leben wie viele andere Tierarten auch in Herden, um ihre grundlegenden Bedürfnisse effektiv zu decken, Schaden zu vermeiden und möglichst viele gesunde Nachkommen zu zeugen. Dabei beruhen die Vorteile des Herdenlebens auf der ausgeglichenen Kooperation untereinander. Die Gruppe bietet Sicherheit, Erholungsmöglichkeiten und Schutz für jedes einzelne Gruppenmitglied. Auch sind geeignete Fortpflanzungspartner schon vorhanden, ohne dass ein Tier sich erst auf die beschwerliche Suche nach ihnen begeben muss. Dennoch ergeben sich auch Nachteile wie die Konkurrenz um eventuell knappe Ressourcen während einer Dürre.
Pferdegesellschaften folgen ebenso wenig wie menschliche Gesellschaften einem allgemeingültigen Muster. Dennoch kennt jedes Pferd seine Position im Verhältnis zu den Positionen der anderen, es hat gewissermaßen einen Status, einen „Beruf“, eine geschlechtstypische Rolle und viele andere Merkmale.
Diese einzelnen Positionen sind schon hierarchisch gegliedert und werden sicher in vielen Situationen von den Individuen auch verteidigt. Denn bei allen diesen Rangpositionen geht es ja um den Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen. Es ist in der Natur sinnvoll, die Talente und Schwächen der anderen anzuerkennen, damit dies nicht erst in einem Konfliktfall ausgehandelt werden muss.
     
    Freundschaften fürs Leben

Besonders wichtig im Leben eines Pferdes sind Freundschaften. Pferde bilden sehr enge Kontakte, die weder mit dem Geschlecht noch mit dem Alter der Tiere
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