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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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Trauma
    Das Absetzen – ein verbreitetes Trauma
    In der Natur würde eine Pferdemutter ihr Fohlen fast ein ganzes Jahr lang säugen, meist bis kurz vor der nächsten Geburt im Folgejahr. Das Fohlen würde langsam immer selbstständiger werden, immer größere „Ausflüge“ machen und immer seltener zur Mutter zurückkehren. Doch auch danach bleibt es noch in Kontakt mit der Mutter und seinen Geschwistern und wird sich erst in den folgenden Jahren komplett abnabeln. Es reift also ähnlich langsam zu einer selbstständigen Persönlichkeit heran wie wir Menschen.
    Demgegenüber ist das Leben eines typischen Fohlens in menschlicher Obhut heute ein anderes: Schon nach etwa einem halben Jahr werden die Fohlen abrupt von ihren Müttern getrennt. Sie sind von heute auf morgen auf sich allein gestellt und müssen häufig auch noch in eine andere Pferdegruppe wechseln. Dieser Stress bekommt vielen Fohlen ganz und gar nicht: Sie werden überdurchschnittlich häufig krank, entwickeln erste Verhaltensstörungen wie Koppen oder Weben. Besonders schlimme Auswirkungen hat der Wechsel aller Lebensbereiche, wenn also beispielsweise auch noch eine Verschlechterung der Haltungsform stattfindet oder das Futter von der Sommerweide zur Paddockhaltung umgestellt wird.
    Die oftmals praktizierte Haltung von Jungpferden in Gruppen Gleichaltriger ist ebenfalls ungünstig – vergleichbar einem Kindergarten ohne Kindergärtnerin. Es ist niemand da, der eine schützende, vermittelnde oder ordnende Rolle übernehmen kann. Besonders starke Fohlen werden häufig immer aggressiver und lernen, ihren Willen rücksichtslos durchzusetzen, schwächere gehen teilweise in der Masse völlig unter und schaffen es nicht, sich zu behaupten. Besser wäre die Haltung in gemischten Gruppen mit Tieren jeder Altersstufe, damit die Jungtiere sowohl gleichaltrige Spielkameraden finden können als auch erfahrenere Pferde, an denen sie sich orientieren können.
    Ein weiterer wichtiger Schritt im Leben des jungen Pferdes ist die Geschlechtsreife. Mit den erstmals verstärkt ausgeschütteten Hormonen ändern sich das gesamte Verhalten und damit das Leben und die Persönlichkeit des Pferdes. Die Geschlechtshormone prägen die typischen Verhaltensweisen zur Partnerwahl, aber auch zum Sexualverhalten oder die Verhaltensweisen dem späteren eigenen Nachwuchs gegenüber.
    Die missverstandene Rangordnung
    Die missverstandene Rangordnung
    Früher dachte man, dass der Hengst eine Pferdeherde unangefochten anführt und als das uneingeschränkte Alphatier bezeichnet werden kann – daher auch der Begriff Leithengst. Später musste man einsehen, dass die Rolle einzelner Stuten mindestens ebenso wichtig ist wie die eines Hengstes. Daraus entwickelten sich der Begriff der Leitstute und die Vorstellung einer streng geregelten „Arbeitsteilung“ zwischen den Geschlechtern.
    Doch was ist eigentlich ein Alphatier? Bis Mitte des 20. Jahrhunderts stellte man sich die Hierarchie in einer Herde als eine einmal festgelegte und ständig beibehaltene „Hackordnung“ vor. Es sollte ein sogenanntes Alphatier geben, das die anderen Tiere dominiert, es sollte das aggressivste Tier sein, das die meisten Privilegien genießt, aber auch die meisten „Pflichten“ erfüllt. Darunter sollte sich an einer gedachten Kette die gesamte Gruppe bis zum sogenannten Omegatier, dem schwächsten, bedeutungslosesten „Prügelknaben“ einreihen. Jedes Tier hätte so seinen Platz, also seinen eindeutigen Rang innerhalb der Gruppe. Alpha sei dominant über alle anderen, Beta über alle außer Alpha, Omega sei über niemanden dominant. Das war eine einfache, aber aus heutiger Sicht eben auch falsche beziehungsweise unvollständige Sicht der Dinge.
    Es wurden damals ausschließlich die konkurrierenden Verhaltensweisen für eine Berechnung der Rangordnung in Betracht gezogen, da diese die auffälligsten Aktionen unter Pferden darstellen. Bei dieser Betrachtungsweise fiel in vielen Herden der Hengst als das aggressivste Tier ins Auge. Nun muss eine „Führungspersönlichkeit“ aber auch von den Gruppenmitgliedern akzeptiert und in seinem Rang bestätigt werden. Zieht man solche submissiven Verhaltensweisen, mit denen unterlegene Tiere die höhere Position eines anderen unterstreichen, wie beispielsweise die Beschwichtigungssignale mit in Betracht, so bleibt der Hengst zwar häufig das aggressivste Tier einer Herde, aber die anderen Herdenmitglieder wenden sich in „Fragen“ nach der Wanderungsrichtung oder
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