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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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den Träumer, der für alles etwas länger braucht. Sehr bedeutsam für die Bindung zwischen Mutter und Kind sind die ersten Stunden. In dieser Zeit halten Mutterstuten andere Herdenmitglieder in der Regel von ihrem Fohlen fern, denn hier wird die unauslöschliche Basis für eine innige Mutter-Kind-Beziehung etabliert. Das Fohlen wird in dieser Phase auf die Mutter geprägt. Die Mutter (oder ein anderes großes, sich bewegendes Objekt) wird zum Objekt, dem sich das Fohlen zuwendet, bei dem es Schutz sucht und dem es folgt. So ist der Begriff „Nachlaufprägung„ entstanden, obwohl Fohlen durchaus nicht immer hinter ihren Müttern zu finden sind, sondern oft auch vorauslaufen. Auch umgekehrt wird sich die Mutterstute eng an ihr Fohlen binden, seinen Geruch aufnehmen und seinen Körper genau erkunden.
    Um das Pferd an den Menschen zu gewöhnen, kann man in der sogenannten Sozialisationsphase mit ersten kleinen Erziehungsaufgaben beginnen. In der Phase der Sozialisation lernt ein Lebewesen, was „normal“ ist, „was sich gehört“ und was nicht. Fohlen sind in dieser Phase ausgesprochen offen für neue Erfahrungen. Zum einen lernen Pferdekinder wie Menschenkinder durch eigenes Ausprobieren und durch Versuch und Irrtum, zum anderen durch das Imitieren der Erwachsenen. Pferde knüpfen in dieser Lebensphase erste Freundschaften, entwickeln ein Gefühl für soziale Beziehungen und lernen, eigene Ziele zu verfolgen. Wenn sie in dieser wichtigen Phase wenig oder gar keinen Kontakt zu anderen Pferden haben, werden sie diese später nur sehr schwer einschätzen können. Manche Pferde haben ihr ganzes Leben damit zu kämpfen, dass sie in ihren ersten Monaten außer ihrer Mutter keine weiteren sozialen Kontakte hatten. So können sie weder ein Gefühl für andere Persönlichkeiten entwickeln noch selbst zu einem starken Charakter heranreifen. Dieser Prozess ist irreversibel, das heißt, dass diese Zeit, wenn sie einmal im Leben vorbei ist, nie mehr zurückkommt. Das bedeutet zwar nicht, dass ein Pferd später im Leben nicht mehr ein gutes Sozialverhalten lernen kann, es wird ihm aber schwerer fallen als in diesem von der Natur dafür vorgesehenen Lebensabschnitt. Genauso geht es Kindern, die zweisprachig erzogen werden, im Gegensatz zu Erwachsenen, die eine Fremdsprache lernen. Während die Kinder nicht aktiv lernen müssen, sondern die neue Sprache ganz selbstverständlich unbewusst aufnehmen, ist das spätere Lernen deutlich anstrengender und mit mehr Eigeninitiative verbunden.
     
    Imprint-Training – ja oder nein?

Als bahnbrechende Methode der frühkindlichen Pferdeerziehung betitelt, schwappt seit einigen Jahren das sogenannte Imprint-Training nach Robert Miller aus den USA nach Europa. Nach dieser Methode soll das neugeborene Fohlen direkt nach der Geburt an allen Körperstellen angefasst und so lange festgehalten werden, bis es keine Abwehrbewegungen mehr zeigt. Weiterhin soll es auf für das Reiten wichtige Berührungen zum Beispiel am Rücken und an den Seiten, wo später einmal der Reiterschenkel liegen wird, sensibilisiert werden. All dies soll zu einem besonders gefügigen Pferd führen und alle Probleme im Keim ersticken.
Die Praxis sieht oft ganz anders aus, da der natürliche Prägungsprozess auf die Mutter massiv gestört wird. Es kann dadurch zu einer Fehlprägung kommen, bei der das betroffene Fohlen sich später nicht als Pferd wahrnehmen kann, zu einem Trauma oder einem Schockzustand, zumindest aber zu einer tiefen ersten Verunsicherung. Da das Fohlen festgehalten wird, kann von einer gewaltfreien Methode keine Rede sein. Zu beachten ist außerdem der Aspekt der Reizüberflutung. Der Mensch nutzt die Überforderung des jungen Pferdes durch eine Vielzahl von Eindrücken aus, um seine Übermacht zu demonstrieren.
Pferde haben jedoch ein Recht auf eine gesunde, normale Persönlichkeitsentwicklung, in die nicht so massiv eingegriffen werden sollte. Weiterhin haben Studien belegt, dass keine Vorteile bei Imprint-behandelten Pferden gegenüber weniger invasiv betreuten Pferden festzustellen sind.
     

    Durch eine liebevolle Erziehung, die jedoch das Fohlen niemals überfordern darf, wird die Basis für die Herausbildung einer dem Menschen zugewandten Pferdepersönlichkeit gelegt.
     

    Häufig werden Junghengste gemeinsam aufgezogen. Eine heterogene Herdenzusammensetzung mit Tieren verschiedener Altersgruppen wäre für die gesunde Entwicklung des Jungpferdes besser.
    Das Absetzen – ein verbreitetes
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