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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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standhalten können. Ein Pferd handelt also wesentlich komplexer und kann nicht als „Instinktmaschine“, sondern muss als eine Persönlichkeit angesehen werden. Die Annahme, dass Pferde stets nach einem simplen Reiz-Reaktion-Prinzip handeln, vernachlässigt die Tatsache, dass sich jedes Verhalten aus dem Zusammenspiel von emotionalen Zuständen, individuellen Vorerfahrungen, bewussten Denkprozessen und der jeweiligen sehr spezifischen Situation zusammensetzt.
     

    Pferde sind keine „Instinktmaschinen“ – ihren Handlungen liegt ein komplexes Zusammenspiel aus Emotionen, Erfahrungen und Denkprozessen zugrunde.
    Ethologie und Psychologie Hand in Hand
    Ethologie und Psychologie Hand in Hand
    Für die klassischen Pferdeforscher war bis in die 1960er-Jahre hinein nur der „nature“-Aspekt aus dem oben erläuterten Verhaltensforschungsbegriff „nature und nurture“ von Bedeutung. Daher beschäftigten sie sich hauptsächlich mit den Pferden in ihrer natürlichen Umwelt und begründeten ihre Aussagen vornehmlich anhand der Evolutionsgeschichte. Erst durch den Einbezug des innovativen Ansatzes der Psychologie, die sich mehr mit der Entwicklung individuellen Verhaltens und den Lernprozessen beschäftigte, also den „nurture“-Aspekt in den Fokus rückte, kam eine neue Dynamik in die Ethologie des Pferdes.
    In der modernen Verhaltensbiologie sind diese beiden Erklärungsmodelle mittlerweile untrennbar miteinander verbunden, um das Verhaltensrepertoire des Pferdes in seiner Ganzheit erfassen zu können. Jedes höhere Lebewesen entwickelt seine Persönlichkeit aus der Summe angeborener und erlernter Anteile, wobei diese Komponenten sich permanent gegenseitig beeinflussen. So ist zum Beispiel auf das angeborene Verhalten des Fohlens eine bestimmte Verhaltensantwort der Mutter abgestimmt, aus dem wiederum das Fohlen etwas lernt und sein zukünftiges Verhalten danach ausrichtet. Moderne Equidenforscher sprechen daher von dem Modell „nature via nurture“ („Die Natur mithilfe der Umwelt“). Es gibt Erbanlagen, die erst nach geeigneten Erfahrungen in Aktion treten. So ist uns Menschen und auch den Pferden die Fähigkeit zum Sehen mit der Anlage von Augen und dem dazu gehörigen Nervensystem angeboren. Fehlen jedoch die Außenreize, also würden wir beispielsweise in völliger Dunkelheit aufwachsen, würde sich die Sehfähigkeit nicht entwickeln. Wir würden funktionell blind bleiben, obwohl wir alle körperlichen Voraussetzungen für das Sehen mitbekommen haben.
    Die moderne Equidenforschung untersucht die Interaktion der angeborenen und erlernten Verhaltensweisen. Dazu müssen möglichst viele, vergleichbare Daten zur statistischen Auswertung ermittelt werden. Die Einzelbeobachtung eines Pferdebesitzers kann, so interessant und ungewöhnlich sie auch sein mag, keine allgemeine Aussage über das Pferdeverhalten liefern. In der heutigen Ethologie rücken vor allem das bisherige Herden- und Rangordnungsverständnis, die Lernfähigkeit und die Freundschaftsverhältnisse in Pferdegruppen in den Mittelpunkt des Interesses, da sich hier viele gängige Vorstellungen über die Pferde als längst überholt erwiesen haben, wie wir im Verlauf des Buches noch sehen werden.
    Ein kleiner Exkurs in die Evolutionsbiologie
    Ein kleiner Exkurs in die Evolutionsbiologie
    Wenn wir an den Begriff „Evolution„ denken, fällt uns meist die Lehre von den Verwandtschaftsverhältnissen der Arten untereinander ein. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Tier- und Pflanzenarten haben sich über Millionen von Jahren kontinuierlich herausgebildet. Zu den wichtigsten Aspekten der Evolutionstheorie, die zudem unter anderem auch erklären, wie das Verhalten eines Pferdes mit seiner Umwelt in Beziehung steht, gehören die Theorien zur Herkunft der Arten von Charles Darwin und Alfred Russel Wallace. Etwa zeitgleich belegten sie eindrucksvoll, dass sich die Individuen einer Population leicht voneinander unterscheiden und dass leichte Abweichungen, eine gewisse Variabilität in der Erscheinungsform an die Nachkommen weitergegeben werden. Heute wissen wir zudem um die Existenz der Gene als Träger der Erbinformationen. Erst sie machen die langen Prozesse der Entwicklungsgeschichte bis hin zu den Pferden und uns Menschen eindeutig erklärbar.
    Es werden seit Anbeginn des Lebens immer mehr Einzellebewesen geboren, als letztlich auf der Welt existieren können. Daher stehen sie in Konkurrenz um die vorhandenen Ressourcen und die Weitergabe ihrer
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