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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Himmel, was soll das alles?« Prusius rang ungeduldig die Hände. »Ohne mich läuft hier gar nichts, das weißt du auch!«
    »Ein Mensch ist wie ein Blatt, sagt einer unserer Ovambodichter. Wenn es vom Ast fällt, taugt es nur noch für ein Feuer. Du bist vom Ast gefallen.«
    Prusius spürte, wie seine Nerven zu glühen begannen. Er blickte sich um, sah die vier Guerilleros den Eingang versperren, und erkannte dann in Olutonis Blick, daß auch Gnadenlosigkeit ein Leuchten erzeugen kann. Er wich zur Flechtwand der Hütte zurück, als könne er auf diese Weise seinem Schicksal entrinnen, und wischte sich mit zitternder Hand den Schweiß vom Gesicht.
    »Ich habe euch gegenüber nie etwas Unrechtes getan!« sagte er heiser. »Ich war immer für euch da.«
    »Es gab da einen Abend«, sagte Olutoni langsam und betont, »da hattest du in Outjo einen seltenen Unfall. Ein böser Maulesel biß dir ein Stückchen Fleisch aus dem Unterarm …«
    Prusius wurde fahlgelb im Gesicht. Bis in die Beine spürte er die Schwäche, die wellengleich seinen Körper durchflutete. Bleib stehen, dachte er. Oh, Himmel, das hatte ich nicht einkalkuliert. Das hatte ich verdrängt. Diese saublöde halbe Stunde an der Straße zur Missionsstation.
    Er lehnte sich gegen die Wand, trommelte mit den Fingern nervös dagegen.
    »Das – das sollten wir vergessen«, sagte er tonlos. »Olutoni, wiegen wir diesen Ausrutscher gegen all das auf, was ich dir geliefert habe.«
    »Dafür bist du bezahlt worden. Mit Tausenden von Rand. Die Kaffernhure mußt du noch bezahlen …«
    »Ich – ich bitte um Verzeihung …« sagte Prusius rauh.
    »So einfach ist das? Abgetan mit einer Floskel? Die Kaffernhure ist meine Tochter!«
    »Olutoni, wir haben jetzt wichtigeres zu tun! Es geht um Stunden.«
    »Für einen Vater gibt es nichts Wichtigeres als seine Tochter. Die man eine Kaffernhure nennen darf. Die man überfallen darf, die man vergewaltigen will, die man mit einem Sack einfängt, wie eine Katze, die man ertränken will … Für einen Vater ist das ungeheuer wichtig, Prusius! Du denkst doch sonst so logisch!«
    »Soll ich auf die Knie fallen?« schrie Prusius. Sein Herz schien sich zu blähen und ihm den Atem abzudrücken. Das ist Angst … nicht mehr faßbare Angst … Angst vor diesen Augen dort, Angst vor der ruhigen, verflucht freundlichen Stimme, Angst vor dem Unbekannten, das auf ihn wartete … Prusius schluckte krampfhaft.
    »Nein! Du sollst stehen. Aufrecht stehen, stolz wie immer. Der starke Johann Prusius. Was habe ich davon, wenn du vor mir kniest?« Olutoni beugte sich etwas vor. »Die Mutter der Kaffernhure war eine Weiße. Sie war mein Engel. Sie war für mich der Beweis, daß es einen Gott gibt. Sie war für mich alles: die Erde und das Firmament, der Boden und die Sterne. Zwischen dem Greifbaren und der Unendlichkeit stand sie – die Vollendung. Aber auch sie war eine Kaffernhure und wurde deshalb von den Weißen getötet. So einfach ist das, Prusius. Die weiße Haut ist die einzige Haut, die edel ist. Nicht wahr? Aber wenn man sie abzieht, die weiße Haut, kommt darunter nichts anderes zum Vorschein als unter einer schwarzen Haut. Rotes Fleisch, weißgelbes Fett, rosa und violette Adern, weiße Knochen, farblose Sehnen und alles umspült von rotem Blut. Ein schwarzer Körper ohne Haut ist wie ein weißer Körper ohne Haut, und wenn das Fleisch abfällt, ist das Gerippe eines Weißen genau so bleich wie das Gerippe eines Schwarzen. Dann ist der Schwarze endlich gleich und weiß wie ein Weißer. Stimmst du mir zu, Prusius?«
    Prusius stützte sich an die Flechtwand und atmete röchelnd. Seine Augen traten aus den Höhlen und brannten, als habe man Pfeffer in sie gestreut.
    Er wollte etwas sagen, riß den Mund auf, aber es kam kein Ton aus seiner trockenen Kehle.
    »Ich sehe, wir sind uns einig«, sagte Olutoni in schrecklicher Ruhe und erhob sich. »Bleiben Sie stolz, Prusius! Ich möchte Sie anspucken, aber mein Speichel ist mir zu wertvoll, um ihn an Ihre Haut zu kleben! Aber nehmen Sie eines noch mit: Ich liebe mein Volk, aber ich liebe auch Ihr Volk. Ich liebe jeden Menschen, solange er menschlich ist. Darum werde ich mich nicht mehr lieben können, weil ich unmenschlich sein werde. Aber das ist mein Problem! – Gehen Sie jetzt!«
    »Danke …« stammelte Prusius. Er stieß sich von der Flechtwand ab und wankte zum Ausgang der Hütte. »Danke, Olutoni. Wir sehen uns bestimmt in Lusaka wieder.«
    Olutoni senkte den Kopf, schwieg und wandte
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