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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Autoren: F. Paul Wilson
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angesetzte Wangenknochen hinweg. Obwohl er etwas gebeugt ging, war er noch immer ein großer Mann und seine Gestalt verdeckte einen beträchtlichen Teil des Fensters. Bill wohnte jetzt seit einigen Monaten in Glaekens Apartment, half ihm mit seiner pflegebedürftigen Frau und chauffierte ihn, wenn er seine ›Forschungen‹ betrieb, aber in erster Linie wartete er.
    Es war eine große Wohnung, die das ganze Obergeschoss des Gebäudes einnahm und die voller merkwürdiger Andenken und noch merkwürdigerer Bilder war. Die Wand links von Bill war verspiegelt und er zuckte zusammen, als er den Fremden bemerkte, der ihn aus dem Glas heraus ansah, bis ihm klar wurde, dass das er selbst war. Er hatte sich den Bart abgenommen und das Haar gestutzt. Sein Pferdeschwanz fehlte ihm und er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, sich glatt rasiert zu sehen. Und auch nicht daran, dass er so alt aussah. Sein Haar war zwar schon vor Jahren ergraut, aber der Bart hatte bisher die Falten verborgen.
    Er ging zum Fenster hinüber und stellte sich neben Glaeken.
    Das Warten war offenbar vorüber. In gewisser Weise war er darüber sogar froh. Aber ein eisiger Tentakel der Furcht bohrte sich durch seine Eingeweide, als ihm klar wurde, dass er nur eine Ungewissheit gegen eine andere eingetauscht hatte. Die Erwartung und die Unsicherheit, wann es beginnen würde, wurden ersetzt durch die noch größere Furcht, was denn begonnen hatte.
    »Sie schienen nicht sehr überrascht«, sagte Bill.
    »Ich habe den Unterschied heute Morgen gespürt. Ihr Freund hat das bestätigt. Der Wandel hat begonnen.«
    »Man würde es nicht glauben, wenn man die Dinge dort unten betrachtet.«
    Auf der anderen Seite der Straße, zwölf Stockwerke tiefer, lockte die strahlende Frühlingssonne eine ganze Palette von Grüntönen hervor, da die verschiedenen Baumarten ihre jeweilige Blätterpracht entfalteten.
    »Nein. Und für eine Weile werden sie auch noch keine Veränderung bemerken. Aber jetzt müssen wir unseren Blick tiefer senken. Das nächste Ereignis wird in der Erde stattfinden.«
    »Und wie wird das aussehen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wenn er seinem alten Muster folgt, dann macht er da den nächsten Schritt. Und wenn er dann das ganze Ausmaß seiner Kräfte erreicht hat …«
    »Soll das heißen, dass er das noch nicht hat?«
    »Er muss eine Veränderung durchlaufen, bevor seine Kräfte ihren Höhepunkt erreichen. Und es gibt auch einen Grund dafür, warum er mit der Länge unserer Tage spielt. Das gehört alles zu seiner üblichen Vorgehensweise.«
    »Noch nicht das ganze Ausmaß seiner Kräfte«, sagte Bill leise. Sein Verstand wehrte sich gegen die Vorstellung. »Mein Gott, wenn er schon in der Lage ist, den Zeitpunkt zu ändern, an dem die Sonne aufgeht, solange er noch nicht voll auf dem Damm ist, was kann er dann erst tun, wenn er das ist?«
    Glaeken drehte sich um und durchbohrte ihn mit seinem tiefblauen Blick.
    »Alles, was er will, Bill. Alles.«
    »Nick sagt, es ist unmöglich, dass die Sonne verspätet aufgeht.« Bill wusste, er klammerte sich an Strohhalme. »Das verletzt zu viele physikalische Gesetze.«
    »Wir müssen lernen, uns von den physikalischen Gesetzen zu verabschieden – eigentlich sogar von allen Gesetzen. Die ›Gesetze‹, die wir konstruiert haben, um unsere Existenz zu erklären und das Universum um uns herum zu verstehen, haben bald keine Gültigkeit mehr. Physik, Chemie, Schwerkraft, selbst die Zeit werden nur noch bedeutungslose, sinnentleerte Formeln sein. Die ersten Gesetze sind heute Morgen bei Sonnenaufgang gebrochen worden. Viele weitere werden folgen, bis sie alle ihre Bedeutung verloren haben. Von heute Morgen an befinden wir uns auf dem Weg zu einer Welt, in der keine Gesetze gelten.«
    Die Stimme einer alten Frau erklang brüchig aus dem Schlafzimmer.
    »Glenn? Glenn, wo bist du?«
    »Ich komme, Magda.« Glaeken ergriff Bill am Oberarm und senkte die Stimme. »Ich glaube nicht, dass wir ihn aufhalten können, aber vielleicht wird es uns gelingen, ihm Steine in den Weg zu legen.«
    Bill versuchte, daraus Hoffnung zu schöpfen, aber seine Laune verbesserte sich kein bisschen.
    »Wie denn? Wie können wir hoffen, gegen eine Macht zu bestehen, die den Weg der Sonne ändern kann?«
    Der alte Mann blickte ernst. »Das können wir nicht. Nicht mit dieser Einstellung. Und das ist genau die Art, wie wir reagieren sollen – mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. ›Er ist zu mächtig. Warum sollten wir auch nur versuchen,
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