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Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Titel: Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
Autoren: Sylvie Wolff
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als Leitartikel, als Beispiel dafür, dass wir wirklich ein „neues“ Frauenmagazin sind.
Darüber hinaus würden wir in unserer Rubrik „Neue Frau“ gern mehr aus Ihrer Feder bringen und laden Sie daher ein, bei einem persönlichen Treffen am 25. Februar um 11:00 Uhr in den Räumen unserer Frankfurter Redaktion darüber zu sprechen. Bis dahin herzliche Grüße aus Frankfurt - Andrea Calotti, Chefredaktion PEPITA
     
    Atme, Yvi, Atme!
    Geräuschvoll stieß ich die angehaltene Luft wieder aus. Was hatte ich getan? Einen frustrierten Leserbrief zum Thema „Frau von heute“ geschrieben, und jetzt wollten die mehr? Meine von Alltagssorgen geplagte Fantasie sah mich bereits als Mitarbeiterin eines jungen, dynamischen Teams und ließ die Sektkorken knallen. Freie Redakteurin der Frauenzeitschrift Pepita – war das jetzt das Tor zur Unabhängigkeit?
    Träumer, schalt meine innere Stimme und verbot damit jede weitere Fantasie. Zumal Svenja an der Tür klopfte und die Rückkehr in die Welt der allein erziehenden und völlig überarbeiteten Mutter forderte – von wegen ‚Frau von Welt‘!
    „Mama, beeil dich, ich muss auch mal. Dringend!“
    Ich seufzte, drückte die Spülung und wischte zu allem Überfluss auch noch mit der Klobürste durch die strahlend weiße Keramik. Dann putzte ich meine Nase, zählte bis drei und öffnete die Tür. „So, du kannst ...“
    „Na endlich! Hat ja Ewigkeiten gedauert!“ Svenja schoss an mir vorbei in den nicht eben großzügig angelegten Raum und drehte den Schlüssel herum. Das schien ja wirklich eilig zu sein!
    In Anbetracht der Zeit, die Teenager in Bad und Toilette verbringen können, verzog ich mich in die Küche und suchte etwas zum Feiern. Im Kühlschrank musste noch der Piccolo sein, Überbleibsel der Weihnachtsfeier mit den Powerfrauen, einem Kreis allein erziehender Mütter, die sich vor Jahren gesucht und gefunden hatten und seitdem tatkräftig unterstützten. Anni und ich waren als einzige übrig, alle anderen räkelten sich längst wieder in festen Händen.
    Der Sekt war rot.
    Ich bewegte die Flasche und sinnierte. Rot wie ... die Liebe? Aber nein, danach war mir gerade nicht. Obwohl der Schwur, von nun an nur noch à la Carte zu genießen, anderes verlangte, schließlich war ich immer noch im besten Minirockalter und Svenja tatsächlich fast erwachsen. Beste Voraussetzungen also, um Anni und ihre Marktanalysen ernst zu nehmen.
    Wie dann? Rot wie ... Signal? In einem Anfall von Übermut griff ich nach der Sektflöte, füllte das Glas und faltete den PEPITA-Brief auseinander. Er könnte tatsächlich alles verändern, die Eintrittskarte in ein neues Leben sein. In das der Frau Dr. Thea von Grünberg zum Beispiel, promovierte Kommunikations- und Sozialwissenschaftlerin, deren Lebenslauf es an nichts fehlen ließ. Deren kleinste Übung es war, neben Studium und Karriere in einer namhaften Firma auch noch zwei Kinder, die Pflege ihres versnobten Ehemannes und seiner kranken Mutter sowie das tägliche Lauftraining für den Berlin-Marathon unter einen Hut zu bringen. Und das alles mit einem Humor, den ich angesichts meiner eigenen Unzulänglichkeit wirklich nur noch als schwarz bezeichnen konnte.
    Ich sah mich um. Haushalt? Karriere? Kinder? Ha! Perfekt war unser Haushalt wirklich nicht, dazu fehlte einfach die Zeit. Außerdem gab es täglich so vieles, das wichtiger war als ein lupenreiner Fußboden und streifenfrei glänzende Gläser. Svenjas Liebeskummer zum Beispiel, wenn sie wieder einmal Krach mit Sascha hatte, oder Anni mit ihrem untrüglichen Gespür für unpassende Momente. Oder ein Schmachtschinken im Fernsehen, bei dem man herzzerreißend heulen konnte und hinterher tagelang auf Wolken schwebte.
    Egal, war ich halt nicht perfekt, was machte das schon? Svenja zumindest hatte es nicht geschadet, sie entwickelte sich prächtig. Etwas zu prächtig vielleicht angesichts der Kurven, die sich in letzter Zeit an ihrem sonst so straffen Körper zeigten. Hormone, entschied ich, und sehnte mich trotz aller guten Vorsätze nach einem Gegenüber, der auch nur ansatzweise so intensive Gefühle wecken konnte wie Sascha bei meiner Tochter.
     
    Wie immer öffnete Svenja die Toilettentür so laut, als müsste sie gegen Militärflugzeuge antreten. Ich ließ die Pikkoloflasche in den Mülleimer gleiten, doch Svenja war nicht in Form.
    „Mama, ich brauche neue Jeans, meine passen nicht mehr!“ Unglücklich fingerte sie am Bund herum.
    „Schon wieder?“ Ich überschlug die
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