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White Horse

White Horse

Titel: White Horse
Autoren: Alex Adams
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lass mich
mitlachen!«
    Ich schiebe mich an der Tischkante entlang zur offenen Tür. An der
Wand gegenüber befindet sich ein Schirmständer. Der zerfledderte Inhalt hält
längst keinen Regen mehr ab, aber mit dem spitzen Ende des Stocks ließe sich
ohne Weiteres ein Auge ausstechen.
    Â»Weißt du eigentlich, womit ich früher meinen Lebensunterhalt
verdient habe?«
    Er knurrt, folgt mir den Tisch entlang, bis wir beide die
abgeschliffene Kante erreicht haben.
    Â»Du warst so was wie ’ne Laborratte, oder?«
    Ich nicke. So was in der Art. »Ich musste ständig schweres Zeug
heben und schleppen. Deshalb solltest du meine Hammelbeine nicht unterschätzen.
Die sind gut durchtrainiert. Und du? Ein paar Guinness gestemmt und den
Schalthebel deines Trucks bedient?« Ich bin zwar längst nicht mehr so kräftig wie
vor dem Zusammenbruch der Welt, aber meine Überlebensinstinkte haben mich
immerhin bis hierhergebracht. Ich hechte zur Tür, doch ich habe mich
verschätzt: Seine Reichweite ist größer, als ich dachte. Sein Arm schnellt vor.
Er packt meinen Pferdeschwanz und wickelt ihn um seine Wurstfinger. Dann reißt
er meinen Kopf nach hinten und zieht mich an sich, bis sein Wanst wie ein
gefüllter Pfannkuchen gegen meinen Rücken presst. Ein Dreieck schnürt mir die
Luft ab: seine Brust, sein Oberarm, seine Elle.
    Wenn ich an vergangene Tage zurückdenke, träume ich meist von
Mahlzeiten in Ketten-Restaurants, wo du genau weißt, was du bekommst, wenn du
deine Bestellung aufgibst. Ich träume von Tagen ohne Regen und davon, wie die
Haut prickelt, wenn du zu lange unter einer zu heißen Dusche stehst. Aber
jetzt? Sehne ich mich nach High Heels. Stilettos, verstärkt durch zehn
Zentimeter lange Metallstifte. Denn mein Gegner trägt nur Socken, und ich
könnte ihm mit Leichtigkeit diese Waffe modisch zwischen die Mittelfußknochen
treiben.
    Ich trage zwar dick besohlte Wanderstiefel, aber er ist gut eins
achtzig groß, während ich es mit Mühe auf eins fünfundfünfzig bringe. Das
bedeutet, dass meine Absätze ihm bestenfalls ein wenig die Zehen platt drücken
würden. Und das reicht nicht.
    Â»Ich habe gewonnen«, keucht er.
    Vielleicht hat er ja recht, aber noch ist die Entscheidung nicht
gefallen. Es steht mehr auf dem Spiel als meine Person.
    Â»Mann, wann konntest du zuletzt einen Blick auf dein Ding werfen?
Oder im Stehen pinkeln?« Meine Stimme klingt belegt, weil ich kaum Luft
bekomme. Er zerrt mich höher. Meine Absätze verlieren den Bodenkontakt. Gummi
quietscht über die Fliesen, als meine Füße nach einem festen Halt suchen.
    Â»Fick dich.«
    Â»Bitte. Ein Fettsack wie du kriegt keinen mehr hoch.«
    Dunkle Flecken tanzen vor meinen Augen. Es ist Vormittag. Dennoch
scheint das Tageslicht rasch zu schwinden. Lisa schluchzt jetzt zwischen den
Schreien. Es ist unerträglich.
    Der Typ ist zäher, als ich dachte. Unter den Fettschichten sitzt
reichlich Muskelmasse; die perfekte Tarnung. Meine Zehen verlassen den Boden.
    Alles, was nun geschieht, spielt sich in Sekundenbruchteilen ab.
    Ich senke das Kinn und grabe ihm die Zähne bis zum Knochen in den
Unterarm. Gleichzeitig ziehe ich die Knie an. Als er seinen Würgegriff mit
einem markerschütternden Aufschrei löst, lasse ich mich mit dem ganzen Gewicht
auf seine Füße fallen. Keuchend rolle ich nach vorn. Schmerz durchzuckt meine
Knie und jagt wie Feuer in meine Schienbeine. Mein Widersacher erholt sich lange
genug, um mir mit dem gequetschten Fuß einen Tritt zu versetzen. Ein
metallischer Geschmack sammelt sich in meiner Mundhöhle. Ich rapple mich hoch,
einen Arm schützend gegen den Bauch gepresst, und springe zur Seite.
    Nur noch darauf bedacht, diesen Kampf zu überleben, greife ich nach
einem Stuhl. Er ist leichter, als das alte Holz vermuten ließe. Oder vielleicht
auch nicht. Der menschliche Körper kann erstaunliche Leistungen vollbringen,
wenn Gefahr droht. Das weiß ich, weil ich als Kind immer die TV -Sendung That’s Incredible geguckt habe. Und die Moderatorin Cathy Lee Crosby hatte ein Gesicht, dem eine
Achtjährige blind vertraute.
    Meine Knöchel treten weiß hervor, als ich mit beiden Händen die
Stuhllehne umklammere. Der Fette ist Engländer. Das bedeutet, dass er wenig
Ahnung von unserem Nationalsport hat. Dieser Stuhl ist mein Schläger und seine
Visage mein Ball. Turbo-Baseball.
    Er
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