Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
White Horse

White Horse

Titel: White Horse
Autoren: Alex Adams
Vom Netzwerk:
putzen, Abfälle entsorgen. Elf Stunden einseitiger Small Talk mit
Mäusen. Mir brennen die Augen von der langen Arbeit. Am liebsten würde ich sie
aus den Höhlen reißen und mit kaltem Wasser abspülen.
    Als die Tür aufschwingt, weiß ich sofort Bescheid. Erst denke ich,
es ist das rote Lämpchen des Anrufbeantworters, das mich von der Küche her
anblinkt. Aber nein, es ist mehr. Die Luft hat etwas Fremdes an sich, als sei
in meiner Abwesenheit etwas ungehindert durch meine Wohnung gezogen und habe
alle Gegenstände berührt, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    Goldenes Licht durchflutet das Wohnzimmer, sobald meine Finger den
Schalter berühren. Ich muss blinzeln, bis meine Augen genügend schützende
Tränenflüssigkeit gebildet haben. Die Pupillen verengen sich, wie es sein soll,
und schließlich kann ich in die Helligkeit treten, ohne ins Stolpern zu
geraten.
    Es heißt, dass du nicht von Verfolgungswahn sprechen kannst, wenn
tatsächlich einer hinter dir her ist. Ich spüre zwar kein warnendes Kribbeln im
Nacken, das mich zwingt, einen Blick über die Schulter zu werfen, aber das mit
der Luft war keine Täuschung: Jemand hat sie in meiner Abwesenheit geteilt und
etwas in ihre Mitte gestellt.
    Ein Gefäß.
    Keines dieser Gläser, in die sie knackige Dillgurken abfüllen. Eher
ein Museumsstück, ein Tongefäß, älter als diese Stadt, wenn man dem Schmutz in
den Tiefen seiner Poren glauben kann. Und dieses antik anmutende Gefäß verbreitet
in meiner Wohnung den Hauch längst begrabener Dinge.
    Ich könnte es untersuchen, könnte es einfach nehmen und draußen vor
die Tür stellen. Aber manche Dinge, die man berührt, werden nie mehr unberührt
sein. Ich bin ein Produkt aller B-Movies, die ich je gesehen habe, aller
abergläubischen Märchen, die ich je gehört habe, allen Altweibergeschwätzes,
das man mir je erzählt hat.
    Ich sollte das Gefäß untersuchen, aber
meine Finger weigern sich, um mich vor dem Was dann? zu schützen . Stattdessen greifen sie nach dem
Telefon.
    Der Hausmeister hebt erst beim achten Klingeln ab. Als ich ihn
frage, ob er jemand in meine Wohnung gelassen hat, begibt sich sein Gehirn erst
mal auf Wanderschaft. Eine Ewigkeit vergeht. Ich stelle mir vor, wie er sich im
Schritt kratzt, mehr aus Gewohnheit als aus anderen Gründen, und nebenher
überschlägt, wie viel Bier er noch im Kühlschrank hat.
    Â»Nein«, sagt er schließlich. »Is’ was weggekommen?«
    Â»Nein.«
    Â»Wo liegt dann das Problem?«
    Ich lege auf. Zähle bis zehn. Als ich mich umdrehe, steht das Gefäß
immer noch da, mitten im Wohnzimmer, genau zwischen Couch und Fernseher.
    Der Sicherheitsdienst steht als Nächstes auf meiner Liste. Nein,
bekomme ich zu hören. Nach ihren Aufzeichnungen hat niemand Apartment
Dreizehn-Null-Vier betreten.
    Â»Auch nicht vor etwa fünf Minuten?«
    Schweigen. Dann: »Doch, das ist registriert. Möchten Sie, dass wir
jemanden vorbeischicken?«
    Die Polizei ist auch keine Hilfe. Niemand bricht ein, um Sachen
herein- statt herauszutragen. Muss wohl ein Geschenk eines heimlichen Verehrers
sein. Oder ich spinne. Sie halten das durchaus für möglich, umschreiben es aber
mit höflichen Worten, damit ich das Gespräch beenden kann, ohne mich gekränkt
zu fühlen.
    Dann fällt mir das Blinklicht des Anrufbeantworters ein. Als ich auf
Wiedergabe drücke, schallt mir die Stimme meiner Mutter entgegen.
    Â»Zoe? Zoe? Bist du da?« Eine Pause, dann: »Nein, Schatz, es ist das
Gerät.« Wieder eine Pause. »Was? Ich hinterlasse eine
Nachricht! Was – weshalb soll ich lauter sprechen?« Ein neckisches Klatschen
deutet an, dass sie meinen Vater wegscheucht. »Deine Schwester hat angerufen.
Sie will dir unbedingt jemanden vorstellen.« Sie senkt die Stimme zu einem
Wispern, das alles andere als diskret ist. »Ich glaube, es handelt sich um
einen Mann. Jedenfalls finde ich, dass du dich mal bei ihr melden könntest. Und
komm doch einfach am Samstag zum Essen vorbei. Dann kannst du mir alles über
ihn erzählen. So von Frau zu Frau.« Wieder eine Pause. »Klar, du bist auch
dabei, Dad. Du gehörst doch fast zu uns Frauen.« Ich stelle mir vor, dass er
hinter ihr steht und gutmütig lacht. »Sweetie, ruf mich an! Ich dachte schon
daran, dich auf dem Handy anzurufen, aber du kennst mich ja: Irgendwie hoffe
ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher