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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle
Autoren: John B. Keane
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ganzen Körper zitterte. »Bin ich hier richtig bei Dinnegan?«, erkundigte sich der Fremde.
    »Nein«, gab Jack zur Antwort. »Sie müssen die Straße wieder ein Stück zurück, dann die erste Abzweigung rechts, dort wohnen die Dinnegans.«
    Der Mann war von gedrungener Statur, wirkte grobschlächtig und hatte eine kehlige Stimme. Florrie hingegen war schlank und groß, eine eher elegante Erscheinung gewesen. Der Fahrer kletterte wieder ans Steuer, drehte um und fuhr davon.
    In der Küche taumelte Billy Fly-Low gegen den Tisch. Die Erregung war zu groß für ihn gewesen. Er konnte sich nicht halten und stürzte zu Boden. Ein fremdartiger, unheimlicher Laut entrang sich seiner Kehle. Jack kniete nieder und flüsterte dem Sterbenden die Worte des Schuldbekenntnisses, mea culpa, ins Ohr.
    Einige Monate nach dem Begräbnis taten sich mehrere Nachbarn zusammen und gingen Jack Fly-Low besuchen. Billys Tod hatte ihn arg mitgenommen, er war abgezehrt und schwach. Sein Zustand machte die Nachbarn betroffen. Vielleicht wäre es das Beste, den Hof zu verkaufen, drangen sie in ihn, und in die Stadt zu ziehen, wo es sofort Hilfe gäbe, wenn ihm etwas zustoßen würde. Nein. Nie würde er Haus und Hof verlassen. Dann vielleicht eine Haushälterin? Nein. Den Hof verpachten? Nein. Jack Fly-Low blieb stur. Er würde allein zurechtkommen und sich selbst behelfen — bis zum Schluss. Trotzdem machten die Nachbarn unter sich aus, in regelmäßigen Abständen nach ihm zu sehen.
    Im Dezember wütete ein unerwartet heftiger Schneesturm. Weiter abseits liegende Häuser waren mehrere Tage völlig abgeschnitten. Auch das kleine Anwesen der Fly-Lows gehörte dazu. Sowie die Nebenstraßen wieder passierbar waren, stapfte ein Nachbar den Hügel hinan. Er fand Jack in einem erbarmenswerten Zustand vor. Sein Atem ging unregelmäßig und schwach. Immer wieder rang er zwischendurch heftig nach Luft. Der Nachbar lief los und bat den Nächstbesten, nach dem Priester und einem Arzt zu schicken. Er selbst kehrte ans Krankenlager zurück, setzte sich auf die Bettkante, hielt Jack Fly-Low die Hand und zählte die immer schwächer werdenden Atemzüge. Erleichtert hörte er das Auto des Priesters in die Auffahrt fahren. Vergeblich versuchte Jack Fly-Low, sich aufzurichten. In der Kehle rasselte es, aber er brachte keine Worte heraus. Kein Laut kam über die sich bewegenden Lippen.
    »Was ist Jack? Was willst du sagen?«, fragte der Nachbar besorgt.
    Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte öffnete Jack Fly-Low den Mund. »Florrie«, flüsterte er triumphierend und sank in die Kissen zurück. Sein Körper entspannte sich, die Lippen schlossen sich wieder zu einem dünnen Strich, doch auf dem eingesunkenen Gesicht des Toten lag der Anflug eines Lächelns.

Fred Rimble

    Die Uhr zeigte drei Minuten nach sieben, als am Abend des 7. September 1979 Fred Rimble in Dirreenroe in Maggie Conlons Schlafzimmer zur Welt kam. Keine himmlischen Heerscharen verkündeten das Ereignis, und auch in der unmittelbaren Nachbarschaft nahm kaum jemand davon Notiz.
    Viel später gestand Maggie Conlons Sohn Jim: »Ich hätte dem armen Wesen nicht in diese Welt verholfen, wenn mich nicht die Ohrenschmerzen meiner Mutter dazu getrieben hätten.«
    Maggie Conlon war fünfundsiebzig, doch man sah ihr das Alter nicht an. Ihr Haar hatte immer noch sein natürliches Schwarz, die Augen waren hell und klar. Auch auf den Beinen war sie flink und sicher, und sie erfreute sich zudem eines herzhaften Appetits, der sie eigentlich ihr ganzes Leben lang nie im Stich gelassen hatte, was sie freilich nie eingestehen wollte.
    So gesehen hätte sie mit ihrem Gesundheitszustand mehr als zufrieden sein können, und wenn man dazu noch bedachte, dass sie verhältnismäßig wohlhabend war, so durfte man in der Annahme recht gehen, dass ihr ein glückliches Los beschieden war.
    Weit gefehlt, das Gegenteil war der Fall. Maggie Conlon war eine Hypochonderin. Die ortsansässigen Ärzte konnten kein Leiden feststellen, doch Maggie beharrte auf ihren Unpässlichkeiten und suchte unermüdlich — soweit es ihre Mittel erlaubten — in der näheren und weiteren Umgebung Spezialisten auf, jedoch ohne Erfolg. Als alles nichts fruchtete, versuchte sie ihr Glück bei allen möglichen Quacksalbern, wie es eben Hypochonder so an sich haben, und trotz diverser und höchst unerquicklicher Heilmethoden blieb sie standhaft und war so für Ärzte und Apotheker eine nicht versiegende Quelle ihres Einkommens.
    Die ungeheuren
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