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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle
Autoren: John B. Keane
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größer die Schwärme, desto dräuender das Wetter, lautete eine alte Bauernregel. Schwarzdorn und Weißdorn waren übersät mit Schlehen und Mehlbeeren, auch das ein Omen für stürmische Tage. Ständig hatte der Mond einen Hof, und das nicht nur bei Vollmond. Mitte Januar dann kam es zu einer geradezu beängstigenden Nacht. Noch vor Einbruch der Dunkelheit zogen braunrot gefärbte dichte Wolkenwände auf, jagten über den Himmel in sich stetig ändernden Gebilden. Heftiger Sturm wütete und nahm mit fortschreitender Nacht immer mehr zu.
    Um Mitternacht fegte er mit einer Stärke, wie ihn seit Menschengedenken noch nie jemand erlebt hatte, über das Land. Heuballen wirbelten durch die Luft und landeten meilenweit entfernt auf fremden Feldern. Bäume knickten um, lockere Heuschober wurden zerfetzt, aber am Schlimmsten traf es die drei Brüder, denn das Unwetter trug von Toms Schlafraum die Dachziegel mit sich fort. Der Rest des Hauses blieb unversehrt. Um halb zwei in der Frühe blickte der Älteste der Fly-Low-Brüder in einen Himmel mit dahinjagenden Wolkenfetzen.
    Er behielt die Ruhe und blieb im Bett liegen, bis sich der Sturm gelegt hatte. Das geschah endlich gegen Morgen, und im ersten Tageslicht zeigte sich eine verwüstete Landschaft.
    Nach dem Frühstück betrachteten sich die Brüder den Schaden. Zum Glück hatte das Haus in den Grundfesten dem Wüten der Natur getrotzt. Sie kamen zu dem Schluss, dass alles, was sie brauchten, aus zweiter Hand zu erstehende Schieferplatten waren. Dankbar knieten sie in der Küche neben der Feuerstelle nieder und beteten einen Rosenkranz. Es wurde entschieden, dass Jack, der Jüngste, in die etwas entfernter gelegene Stadt Listowel fahren sollte, um die Baumärkte nach dem benötigten Material abzugrasen. Tom, der als Schatzmeister im Haus fungierte, zählte Jack fünfzig Pfund in einzelnen Banknoten in die Hand, während Billy nach der schwarzen Stute sehen wollte. Sie sollte vor den großen Karren mit den eisenbeschlagenen Rädern gespannt werden, dem einzigen Transportmittel, das die Brüder besaßen.
    Jack rasierte sich in der Küche und schlüpfte in den Sonntagsstaat. Direkt an der Eingangstür hing ein kleines Becken mit Weihwasser. Er benetzte die schwieligen Finger, bekreuzigte sich und ging hinaus, um sich auf die Elf-Meilen-Reise in die Stadt zu machen. Auf dem mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Hof traf er auf den wutschnaubenden Billy. Die Stute war in der tosenden Nacht ausgebrochen und nirgends zu finden. Jack blieb nichts anderes übrig, als sich zu Fuß auf den Weg zu machen und unterwegs auf eine Mitfahrmöglichkeit zu hoffen.
    Nach zwei Meilen legte er eine Pause ein, zündete sich eine Pfeife an und gönnte sich im Schutz einer dicht mit Efeu bewachsenen Hecke eine kurze Rast. Die abgegrasten hellgrünen Wiesen ringsum, gesprenkelt mit saftigeren Grasbüscheln, wo natürlicher Dung hingefallen war, erstrahlten im winterlichen Sonnenlicht. Im Gebüsch am Wegesrand sangen die Vögel. Müde rappelte er sich hoch und trottete weiter. Hinter ihm tauchte in einer Kurve ein Lieferwagen auf, ein alter Bedford. Ehe er ihm noch etwas zurufen konnte, schaltete der Fahrer den Gang runter und hielt an. Jack kletterte vorn in die Kabine zu ihm.
    Der Mann war eine gepflegte Erscheinung mit schmalem Gesicht, steckte in einem verschossenen Overall und trug eine schon etwas mitgenommene schwarze Schottenmütze. Nachdem sich Jack für die Mitnahme kurz bedankt hatte, herrschte eine Weile Schweigen.
    »Kenn ich dich nicht von irgendwoher?«, fragte schließlich der Fahrer.
    »Kann ich mir kaum vorstellen. Ich kenn dich jedenfalls nicht«, erwiderte Jack.
    »Ich heiße Florrie Feery«, stellte sich der Fahrer vor.
    »Und ich bin Jack Counihan«, sagte Jack.
    Eine halbe Stunde verging, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Dann hatten sie schließlich die Vororte von Listowel erreicht.
    »Wo soll ich dich absetzen?«, fragte Florrie.
    Jack Fly-Low nannte ihm den Namen eines prominenten Baumarkts und meinte: »Erst schulde ich dir aber noch einen Drink.«
    Es blieb nicht bei einem, schon war man beim zweiten, und beim dritten hatten sie es sich bereits in einer gemütlichen Ecke der Bar an einem Tischchen bequem gemacht. Im Kamin gleich daneben flackerte ein wärmendes Torffeuer. Als Florrie aufstand, um ein viertes Glas zu bestellen, wehrte Jack ab. Er hätte Dringendes zu erledigen, das keinen Aufschub duldete.
    »Was kann denn schon so wichtig sein, dass wir uns nicht noch
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