Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle
Autoren: John B. Keane
Vom Netzwerk:
Gesicht betören.«
    Doch diese junge Dame hatte nicht nur ein hübsches Gesicht. Das war eindeutig. Als er ganz dicht hinter ihr war, las er das Wort » Sonnenaufgang «, das in verschossenen roten Buchstaben auf den Hemdrücken gedruckt war. Natürlich konnte Willie Ramley nicht ahnen, dass es sich dabei um den Markennamen einer bekannten Mehlsorte handelte, die in ländlichen Kreisen sehr beliebt war. Der Name prangte in Großbuchstaben, und darunter war ein längeres Schriftband in ausgeblichenem Schwarz und in Kursivdruck.
    Er musste unbedingt herausbekommen, was da stand, und wagte sich näher heran, bis er die Buchstaben entziffern konnte. » Hundert Pfund «, las er, » Garantiert rein «.
    Er sprach die Worte immer wieder vor sich hin, und erst, als das Objekt seiner Begierde in der Umkleidebude verschwunden war, ging ihm die volle Bedeutung der Buchstaben auf. Er hatte den weisen Spruch des alten Mannes vor Augen. Was hatte er doch wiederholt gesagt? War es nicht etwas ganz Eigenes, etwas Besonderes, was ihm an seiner Zukünftigen auffallen würde? Wie genau waren die Worte gewesen, mit denen er das beschrieben hatte? Ganz langsam kehrten sie ihm ins Gedächtnis zurück.
    »Und dieses Besondere wirst du auf Anhieb bemerken, wie Schuppen wird es dir von den Augen fallen, es wird so sonnenklar sein, als wäre es ihr auf den Rücken geschrieben.« So oder ähnlich hatte er gesagt. Weiteren Aufschluss über den Charakter des Mädchens brauchte er nicht. Ungeduldig wartete er auf ihr erneutes Erscheinen.
    Für den Rest seines Urlaubs blieb sein Tagesablauf von einem beharrlichen und aufrichtigen Ansinnen bestimmt. Egal, ob morgens, mittags oder abends, er wartete auf sie. Seine unbeirrte Hingabe beeindruckte die Mutter des Mädchens, und als es Willie schließlich gelungen war, der jungen Dame ein >Ja< abzuringen, gab die Mutter ohne Zögern ihr Einverständnis, und es wurde geheiratet. Die Flitterwochen verbrachte man, wie nicht anders zu erwarten war, in Ballybunion. In der ersten Nacht, die zu einer höchst beglückenden Vereinigung führte, präsentierte sich die sittsame Braut in ihrem bloßen Sackhemd mit dem schon bekannten Aufdruck auf dem Rücken: »Hundert Pfund. Garantiert rein«. Eins aber muss an dieser Stelle gesagt werden — noch nie hatte die Reklame für ein Produkt so der Wahrheit entsprochen wie in diesem Fall.

Auf Treu und Glauben

    Die Brüder Fly-Low wohnten in einem alten Bauernhaus. Es lag auf einem kahlen Hügel und gab den Blick frei auf Schilfrohr und Felder. Tom Fly-Low war der Älteste von den dreien, dann kam Billy und schließlich Jack, der Jüngste.
    Fly-Low war natürlich ein Spitzname. Mit richtigem Namen hießen sie Counihan. Mit dem wurden sie aber nur genannt, wenn der Gemeindepfarrer die Liste seiner Schäfchen durchging, und das geschah nicht öfter als alle fünf Jahre.
    Im Jahr 1940 flog ein Aufklärungsflugzeug im Tiefflug über das Anwesen der Brüder. Sie waren gerade auf der Wiese beim Heuwenden. Als sie das Flugzeug gewahr wurden, war das Staunen ob des eindringenden Besuchers groß, und eifrig winkten sie dem Piloten mit ihren Heugabeln zu. Mit einem leichten Abkippen der Flügel erwiderte der Pilot ihren Gruß.
    »Ein Tiefflieger!«, rief Jack Counihan. »Ein Tiefflieger!«, riefen auch die anderen. »Zieh noch eine Kurve! Fly low!«, schrien alle drei. Natürlich konnte der Pilot sie nicht verstehen, und in wenigen Augenblicken war das Flugzeug auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Auf den benachbarten Feldern, auf denen man ebenfalls beim Heumachen war, hatte man den Lärm gehört. Man machte seine Witze, und so dauerte es nicht lange, und statt Counihan war für die Brüder der Name Fly-Low in aller Munde. Durch den Spitznamen wurde es für alle einfacher, denn in den umliegenden Ortschaften gab es schon genug Familien, die Counihan hießen.
    Jahre später, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, durchlitt das Land einen ungewöhnlich schlimmen Winter. Wenn nicht der Regen alles durchweichte, wehten scharfe und um alle Ecken pfeifende Winde. Wochenlang herrschte klirrender Frost, dann wieder taute es oder schneite, bis die Hügellandschaft in Weiß versank. Auch Schneeregen blieb nicht aus, dieser grässliche Mischmasch, wenn sich das Wetter nicht entscheiden kann, ob es regnen, schneien oder richtig hageln soll. Schon im Oktober hatte es genügend Vorwarnungen gegeben. Verhältnismäßig früh hatten sich ganze Heerscharen von Gänsen in die Lüfte erhoben. Je
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher