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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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Unausgesprochenem und nur Geahntem. Schellenbaum plädiert daher für das Beibehalten des Wortes Gott. Denn das Sprechen von Gott zwingt mich, die Wirklichkeit auf neue Weise wahrzunehmen und wichtige Bereiche meiner Psyche zu entfalten.
    Viele Menschen haben Angst, die Macht solcher Wirkworte wie Gott auszuhalten. Sie versachlichen lieber das Reden von Gott und entfalten eine dogmatische Theologie, anstatt sich von Gott in Bewegung bringen zu lassen. Sie konstruieren sich eine objektive Theologie, um der Infragestellung durch Gott auszuweichen. Dann führt sie ihre Spiritualität allerdings nicht zum Leben, sondern in die Verkrampfung und Beziehungslosigkeit. Sie missbrauchen Gott, um einer tieferen Beziehung zu sich selbst und zu den Menschen aus dem Weg zu gehen.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Das erlebe ich manchmal bei Theologen oder finde es auch in offiziellen kirchlichen Papieren: Da wird Gott festgeschrieben, analysiert, amputiert. Von seiner Wirkkraft bleibt da wenig übrig. Bei der ersten Enzyklika von Papst Benedikt XVI. Deus caritas est, »Gott ist die Liebe«, ging es mir anders . Sehr eindrücklich formuliert Benedikt XVI.: »Wenn ich die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben ganz weglasse und nur ›fromm‹ sein möchte... dann verdorrt auch die Gottesbeziehung. Dann ist sie nur noch ›korrekt‹, aber ohne Liebe. Nur meine Bereitschaft, auf den Nächsten zuzugehen, ihm Liebe zu erweisen, macht mich auch fühlsam Gott gegenüber.«

    Da wird das Wort Gott zum Wirkwort. Da wird Gott nicht in Theorien eingepackt und für Ideologien missbraucht. Da wird Gott zu einer Kraft und da ist Gott eine Kraft, die uns anfeuert, uns dem Leben zu stellen, uns auszustrecken nach unseren Mitmenschen, uns seiner Dynamik zu überlassen im Prozess unserer Menschwerdung.

GIBT ES GOTT?

Das Reden von Gott vor der Vernunft verantworten
    WUNIBALD MÜLLER: In einem Scherzwort heißt es, die Suche nach Gott sei vergleichbar mit der Situation, in der ein Stockblinder in einem stockdunklen Zimmer einen stockdunklen Kater sucht, der gar nicht drinnen ist. In ihrem Roman Der Kranz der Engel geht Gertrud von le Fort auf dieses Scherzwort ein, fügt jedoch hinzu: »Aber der Kater ist eben doch drinnen, weil jedes Diesseits von der Kraft des Jenseits lebt.«
    Die Frage, ob Gott überhaupt existiert, ist eine Frage, die sich viele Menschen stellen, die sich viele schon gestellt haben und sicher auch - so hoffe ich - weiterhin stellen werden. Ich kann dazu wenig sagen. Ich merke nur, dass ich, wenn ich lese, was manche Neurowissenschaftler dazu sagen, ein ungutes Gefühl habe. Sie versuchen Aussagen über Gott beziehungsweise seine Nicht-Existenz zu machen, die von einem Verständnis ausgehen, nach dem man Gott chemisch oder physikalisch nachweisen oder seine Nicht-Existenz beweisen könne.

    So glaubt der Neuropsychologe Michael Persinger (vgl. Trutwin 2009, S. 129), den Nachweis führen zu können, dass der Gottesglaube nichts anderes sei als das Ergebnis einer pathologischen Überempfindlichkeit des Gehirns. Religiöse und mystische Erfahrungen sind für ihn lediglich Erzeugnisse von Gehirnfunktionen im Schläfenlappenbereich, die im Labor künstlich erzeugt werden können. Diese Experimente erwecken den Eindruck, »als wollten Forscher Mozarts Klavierkonzerte besser verstehen, indem sie die Wirkung seiner Musik aufs Gehirn gründlich analysieren, oder ein literarisches Kunstwerk dadurch erklären, dass sie während der Lektüre die chemischen Prozesse im Kopfe untersuchen« (ebd.).
     
     
    ANSELM GRÜN: Ich erlebe auf Tagungen und entdecke in der Literatur, dass die Gehirnforschung die Menschen immer mehr fasziniert.Aber wenn wir mit seriösen Gehirnforschern sprechen, dann bekennen sie selbst, dass die Gehirnforschung überhaupt nichts über die Existenz Gottes aussagen kann.
    Die Aussagen über Gott stehen auf einer anderen Ebene. Die Gehirnforschung kann nur die Resonanz der religiösen Gefühle im Gehirn erforschen. Aber sie kann selbst nicht sagen, was zuerst da ist: das Gefühl, das sich im Gehirn ausdrückt, oder die chemische Reaktion im Gehirn, die ein Gefühl auslöst. Beides hängt eng miteinander zusammen.
    Mich fasziniert an der Gehirnforschung, dass die Wissenschaft heute Erfahrungen bestätigt, die Mönche vor 1600 Jahren schon gemacht haben: Unsere Gedanken beeinflussen den Körper. Die Mönche wussten, dass das Jesus-Gebet,
das wir mit dem Atem verbinden, nicht nur unser Denken und Fühlen prägt, sondern auch
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