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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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Gott interessiert sind, geschweige denn daran, Gott zu erkennen, Wesentliches von sich selbst nicht
kennen. Doch ist das nicht zu weit gegriffen? Klingt das möglicherweise nicht auch arrogant? Oder bleibt es eine Herausforderung, der sich die Menschen, die an Gott nicht interessiert sind, stellen können oder auch nicht?
     
     
    ANSELM GRÜN: Ich würde Thomas Mertons Aussage unterstreichen. Aber ich bin vorsichtig, was die Einteilung in Menschen, die an Gott interessiert sind, und solchen, die nicht an ihm interessiert sind, betrifft. Wir können das Interesse eines Menschen an Gott nicht unbedingt an seinem Glaubensbekenntnis ablesen.
    Für mich ist ein wesentliches Kriterium, ob jemand an Gott interessiert ist, dass er einen Sinn für das Geheimnis hat, das größer ist als er selbst, dass er ständig auf der Suche nach der Wahrheit ist. Auch wenn er seine Suche nach der Wahrheit nicht mit unseren Worten von Gott ausdrückt, ist er doch auf dem Weg zu Gott, ist er letztlich an Gott interessiert. Wer sich jedoch nur um Geld und Erfolg und Sex kümmert, der geht wahrhaft an seinem Wesen vorbei. Der materialistische Atheismus verleugnet auch die Würde des Menschen.

Gott als Wirkwort der Beziehung
    WUNIBALD MÜLLER: Ich finde es ganz wichtig, die Suche eines Menschen nach Gott oder sein Interesse an Gott nicht von unserem Verständnis oder Sprechen von Gott her zu sehen oder gar zu beurteilen. Manche Menschen, die da viel zurückhaltender sind und behutsamer mit Begriffen wie Gott umgehen, befassen sich intensiver und ernsthafter mit Gott als jene, die laut, demonstrativ und mitunter auch rechthaberisch von Gott reden.
    Da stellt sich auch die Frage, was das Wort Gott den Menschen heute noch bedeutet und ob nicht andere Worte für sie eher das beschreiben und beinhalten, was mit Gott gemeint sein kann. Der evangelische Theologe Paul Tillich hat versucht, für den Namen Gott andere Worte zu finden. So übersetzte er Gott mit ultimate reality oder unconditional concern, also mit »dem, was uns letztlich angeht«. Er stieß dabei auf großen Widerstand bei Martin Buber, der meinte, es gebe einige Worte, die von so ursprünglicher Art seien, dass sie nicht durch ein anderes Wort ersetzt werden könnten. Dazu zählen seiner Ansicht nach Worte wie Gott. Paul Tillich gab ihm recht und gebrauchte in seinen Predigten nicht länger Umschreibungen für Gott.
    Das gefällt mir, und für mich stimmt das so. Ich weiß dabei sehr wohl, dass es Menschen gibt, die das anders sehen. Die nicht von Gott sprechen. Die sich sogar erregen, wenn andere das tun. Hier muss und will ich mir treu bleiben. Ich glaube aber auch so viel Toleranz und Weite zu besitzen, dass ich es anderen gerne zugestehe, wenn sie andere Worte haben, andere Begriffe und Bilder bevorzugen, um das auszudrücken,
was sie unter Gott verstehen. Ich erwarte aber auch, dass man mir das zugesteht. Ich erinnere mich an einen Vortrag für Beraterinnen und Berater, die am Ende meiner Ausführungen regelrecht über mich herfielen, wie ich mich nur unterstehen konnte, so selbstverständlich von Gott zu sprechen. Ich versuchte sie zu verstehen und merkte dabei, dass bei manchen die religiöse Erziehung sehr stark geprägt war von einem Gottesbild, das in Gott zuallererst den strafenden und Leben verhindernden Gott sah. Allein die Erwähnung des Wortes Gott oder Zitate, zum Beispiel aus dem Alten Testament, legten alte, noch nicht geheilte Verletzungen frei.
    Das ist ein Aspekt, der es erforderlich macht, sensibel zu sein und darauf zu achten, was mein Sprechen von Gott und der Gebrauch des Wortes Gott durch mich bei anderen auslöst. Die andere Frage ist, ob das Wort Gott sich überlebt hat oder vielleicht auch überstrapaziert worden ist.
     
     
    ANSELM GRÜN: Ich kenne die Diskussion, dass das Wort Gott so verbraucht sei, dass man sich eine Zeit lang davon verabschieden sollte. Doch ich halte es hier mit Peter Schellenbaum. Gott, so meint Schellenbaum, sei ein Wirkwort. Gott will etwas in mir bewirken. Er will mein Ich verwandeln auf das Selbst hin, »auf eine umfassendere und zentralere Persönlichkeit hin« (Schellenbaum 1989, S. 28). Das altgermanische Wort für Gott bedeutet »das Angerufene, was man zu sich ruft, das Beschworene« (ebd. S. 29). Man kann es nicht aussprechen, ohne dass damit etwas in einem wachgerufen wird.
    Für Schellenbaum ist Gott »das Wirkwort der Beziehung«.
Gott bringt etwas in mir in Bewegung. Es bringt mein Ich in Beziehung mit etwas
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