Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Titel: Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
Autoren: Sandra Andrea Huber
Vom Netzwerk:
enthielt die Spur von Wachsamkeit, die Väter oder Autoritätspersonen an den Tag legten, wenn sie eine Lüge oder Ausflucht vermuteten.
„Nein, ich … kenne ihn wirklich nicht.“ Es war nicht mal eine richtige Lüge, wie sie sich eingestehen musste. Sie wusste nicht, wer er war. Nicht mehr. „Ich kann Ihnen nicht sagen, warum ich … erschrocken bin. Vielleicht, weil ich bis dahin nicht gemerkt hatte, dass noch jemand außer Ihnen hier im Raum ist.“
„Er hat Sie gefunden, nachts, auf einem Spielplatz, nur in ein dünnes, kurzes …“, er hielt kurz inne und verzog die Lippen, „ …
Kleid
gekleidet und mit Schnittwunden übersäht. Besonders die Wunde an Ihrer Wange ist sehr tief – und wie es scheint, haben Sie auch eine Kopfverletzung. Sie waren außerdem ziemlich unterkühlt als er hier mit Ihnen aufgetaucht ist.“ Der Arzt musterte sie, ihre Reaktion und ihre Augen.
Sie bemühte sich keinerlei Ausdruck in ihre Miene und Stimme zu legen. „Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, was passiert ist. Aber, wenn ich allein und verletzt war, dann ist es … ein großes Glück, dass mich jemand gefunden hat. Dass … dieser Mann mich gefunden hat.“ Sie biss sich leicht auf die Zunge. „Damit hat er mir wohl das Leben gerettet.“ Das war womöglich die Wahrheit. Dennoch empfand sie nicht nur Dankbarkeit, sondern auch ein dumpfes Gefühl, das sie nicht einordnen konnte. Sie vermochte überhaupt nicht recht zu greifen, was sie empfand. Weder den vergangenen Ereignissen, der aktuellen Situation noch Nikolaj gegenüber. Ganz besonders nicht Nikolaj gegenüber. Es war das erste Mal, dass sie ihn wiedersah, nachdem er ihr eröffnet hatte, dass er ihren Vater umgebracht hatte. Wenn man die kurzweilige und stumme Begegnung im Marofláge nicht mitzählte – und das tat sie nicht.
„Soll ich Ihnen vielleicht etwas zur Beruhigung geben? Sie scheinen immer noch sehr aufgewühlt“, sagte der Arzt und deutete auf den Monitor.
„Nein, ich brauche kein Sedativum …“ Sie biss sich abermals auf die Zunge. Mit Fachbegriffen zu jonglieren sorgte nicht unbedingt dafür, ihre Aussage sich an nichts erinnern zu können, zu kräftigen. „Ich meine … ich sollte vermutlich einfach ein bisschen schlafen. Alleine – wenn das möglich ist.“
„Natürlich ist das möglich“, erwiderte der Arzt nach ein paar Sekunden. „Ich habe dem jungen Mann nur erlaubt hier zu bleiben, weil niemand von Ihren Angehörigen hier war und er wissen wollte, ob sie in Ordnung sind. Er meinte, da er Sie gefunden hat, würde er bleiben wollen, bis Sie aufwachen. Immerhin sei er nun in die Sache mitverwickelt.“
In die Sache mitverwickelt.
Sie spürte, dass ihr Tränen in die Augen trieben und versuchte sie wegzublinzeln. „Das kann ich … verstehen. Vielen Dank …“, presste sie an Nikolaj gewandt hervor, ehe sie wieder den Arzt ansah. „Aber jetzt wäre ich wirklich gerne alleine. Ich bin müde … und ziemlich wirr im Kopf.“
Der Arzt ging auf die Zimmertür zu und nickte Nikolaj auffordernd zu. „Kommen Sie, lassen wir der jungen Dame ihre verdiente Ruhe.“
Nikolaj stand nicht gleich auf. Er zögerte, das konnte sie erkennen. Nicht an seinem Gesicht, das immer noch ausdruckslos war, doch an seiner Körpersprache.
„Würden Sie …?“, setzte der Arzt abermals an und ließ das Satzende bedeutungsschwer in der Luft hängen.
Langsam, immer noch zögernd, erhob sich Nikolaj vom Stuhl und folgte dem Mann langsam nach draußen. Nicht ohne ihr nochmals einen Blick zuzuwerfen, der immer noch nicht mehr enthielt als leeres und stummes Nichts.  

***
     

     

    Nikolaj verfolgte mit rasendem Herzschlag, wie Gwen langsam zu sich kam. Er verhakte die Füße ineinander und verschränkte die Arme vor der Brust, so fest, dass es fast wehtat – nur um nicht hochzuschrecken und an ihr Bett zu treten. So viel Gefühlsregung konnte er sich nicht erlauben. Zum einen, weil er Gwen offiziell nicht kannte, sie nur gefunden hatte und zum anderen, weil er es nicht ertragen konnte, zur Gänze zu empfinden, was er empfand.
So beobachtete er aus einigen Metern Entfernung, wie sie die Augen aufschlug, der Arzt ruhig auf sie einredete, ihn erwähnte und er schließlich in Gwens erschrockenen Blick geriet. Er erwiderte ihn, doch legte er keinerlei Ausdruck in sein Gesicht.
Während der Arzt abermals auf sie einredete, presste er seine Arme noch dichter an seine Brust und musste unwillkürlich an das Bild denken, das sich ihm geboten hatte, als er sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher