Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
Vom Netzwerk:
wohnen, nachdem Papa nicht mehr da war.
    Ich lag in der obersten Koje unseres Schlafwagenabteils und starrte auf die Schatten, die über die Milchglasscheibe huschten, während der Zug durch die Dunkelheit brauste. Trübselig überlegte ich, wie das Leben bei meinen Großeltern wohl aussehen mochte, aber schließlich schlief ich ein, weil ich dem einlullenden Rhythmus der Fahrgeräusche nicht widerstehen konnte. Am nächsten Morgen erreichten wir den Bahnhof von Moss Vale, wo Mamas Bruder John uns erwartete.
    Wir quetschten uns mit unserem Gepäck in sein Auto - zwei Erwachsene und vier Kinder - und begannen unsere mehrstündige Fahrt nach Nowra. Zuerst fuhren wir durch das flache weite Weideland um Moss Vale, aber bei Fitzroy Falls veränderte sich die Landschaft, und wir tauchten in die kühlen Wälder des Morton-National-Parks ein, wo sich der Yarrunga Creek achtzig Meter tief durch eine Schleuse in den Kangaroo und das darunterliegende Eukalyptus-Tal ergießt. Langsam fuhren wir in engen Haarnadelkurven, die in den dicht bewaldeten Berg gesprengt waren, hinunter in das von Wolken verhangene Kangaroo Valley, wo friesische Kühe faul im Schatten weidengesäumter Bäche wiederkäuten. Diese üppige Landschaft war so anders
als die flachen, heißen Ebenen rund um Leeton. Wir fuhren durch die Sandsteinbogen der imposanten Hampden Bridge und dann hoch zum Camberwarra-Pass, wo Onkel Johns Kühler überkochte, sodass wir, während der Motor abkühlte, die Aussicht genießen konnten. Mama war nervös.
    »Ich möchte, dass ihr euch im Haus eurer Großeltern anständig benehmt. Keine Kämpfe! Kein Geschrei! Kein Herumgerenne! Kapiert?«
    Wir nickten alle niedergeschlagen.
    John hupte, um unsere Ankunft in der Worrigee Street 6 anzukündigen; Großmama erschien auf der Veranda und eilte über die Treppe auf uns zu. Großvater Bertie folgte etwas langsamer. Wir umarmten und küssten uns.
    Großmamas Augen hefteten sich auf Judy, unseren Neuzugang.
    »Ist sie nicht hübsch?«, sagte sie und sah Mama dabei an. »Auf jeden Fall die ganze Mühe wert.« Nachdem sie das kleine Bündel mit Küssen bedeckt hatte, trug sie Judy an der Seite von Mama durch den Vordereingang. Bertie lächelte dem Rest von uns zu und zerzauste sich sein Haar, als wir ihm ins Haus folgten, wo es nach einem Abendessen aus dem Backofen und Möbelpolitur roch.
    Nachdem ich Leeton so abrupt hatte verlassen müssen, fiel es mir schwer, mich mitten im Trimester in meiner neuen Schule in Nowra einzugewöhnen. Mama hatte weder die Zeit noch das Geld gehabt, mir eine neue Uniform zu kaufen, und ich fühlte mich in meiner Schulkleidung aus Leeton fehl am Platz. Es war September, als ich in die neue Klasse kam, und man feierte das Geburtstagsfest Unserer
lieben Frau. Die Nonne hatte allen Schülern gesagt, sie sollten einen Blumenstrauß mitbringen, um ihn vor die Marienstatue zu stellen, aber da wir gerade erst angekommen waren, hatte ich die Nachricht nicht erhalten. Die Nonne führte mich vor der ganzen Klasse vor: »Du bist das einzige Mädchen, das zum Geburtstag der Muttergottes keine Blumen mitgebracht hat«, sagte sie und stieß mir dabei mit einem Finger gegen die Brust. »Liebst du deine Mutter nicht? Oder hast du ein so unfruchtbares Haus, dass dort keine Blumen im Garten wachsen?«
    Ich hatte keine Ahnung, dass sie von Maria als unserer Mutter sprach, und fragte mich, entschlossen nicht zu weinen, was sie wohl meinen mochte und was das mit Mama zu tun hatte, die ich sehr liebte. Wäre ich doch noch in Leeton, dann hätte ich Rosensträuße aus Bills Garten mitbringen können. Am liebsten wäre ich aus diesem Klassenzimmer gerannt, heim zu Bill, dem Obstgarten und dem von Bäumen gesäumten Murrumbidgee-Fluss.
    Im Gegensatz zu meinen Schwierigkeiten in der Schule kam ich mit meinem Großvater Bertie gut aus und schaute ihm manchmal zu, wenn er in seinem Buchhaltungsbüro saß und mit seinem Finger über vierstellige Zahlenreihen glitt, die er schneller zusammenaddierte als jede Maschine. Bertie war klein, kämmte sein dünnes graues Haar mit Brylcreem zurück und hatte seine Brille immer so weit zur Nasenspitze vorgeschoben, dass er darüber hinwegzugucken schien. Gartenarbeit liebte er, und ich entfoh oft der Enge des Hauses, um ihm im Garten zu helfen, so wie ich Bill im Obstgarten von Leeton geholfen hatte.
    Mama erzählte uns, dass Bertie zornig geworden war, als
sein jüngster Sohn Toby vor einigen Jahren seine Karriere in der Wirtschaft drangegeben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher