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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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Und ich heiße Krimmel wie mein Vater und seine Familie, die seit zwei Generationen einen Feinkostladen in Nymphenburg betreibt.«
    Er fragt: »Weißt du, warum dich die Todesstrafe erwartet?«
    »Nein.« Dabei will ich Ja sagen, aber ich bekomme es nie über die Lippen.
    Er grinst teuflisch, er trägt etwas in die Akte vor ihm ein und fragt noch einmal: »Weißt du, warum dich die Todesstrafe erwartet?«
    Ich antworte wieder: »Nein.«
    Das geht so lange, bis er aufsteht und mich allein lässt.
    Auf dem Tisch hat er meine Akte liegen lassen und ich schlage sie auf. In dicker roter Schrift steht dort nur »Schuldig«. Als er wieder zurückkommt, geht alles von vorne los – bis ich aufwache.
    Aber zurück zur Mail. Sie kam wie gesagt nach Fasching und ich weiß nicht, wie oft ich die Mail gelesen habe, bis ich zu Hause war. Hundert Mal? Zweihundert Mal?
    Der Absender klang merkwürdig, als wäre die Mail dreimal um die Erde geschickt und mit immer neuen Absendern versehen worden. Also, da steht:
    »Ich bin nicht tot. Die Wahrheit wird euch einholen. Jeden Einzelnen von euch. Es gibt kein Entrinnen. Die Posaunen heben schon an. Es wird nicht mehr lange dauern. Meine Karte ist der Magier.«
    Du hältst mich für abergläubisch, weil ich an solches Zeug glaube wie Tarot-Karten und Magier und so, stimmt’s? Aber Fakt ist: Ich habe ihn gesehen, ich weiß, dass er wirklich nicht tot ist.
    Vielleicht wirst du mich ja verstehen, wenn du die ganze Geschichte gehört hast.
    Ob Lüge oder Wahrheit, heißt es, der Magier nutzt alle Möglichkeiten, um sein Ziel zu erreichen. Er kennt kein Gewissen und wandelt auf dem schmalen Grat zwischen schwarzer und weißer Magie – und wer immer diese Mail geschrieben hat, weiß, was letzten Sommer passiert ist.

2
    Die ganze Geschichte fing letzten Sommer an.
    Du musst es dir so vorstellen: Es ist ein brütend heißer August in Südfrankreich, an der Côte d’Azur, grelle, bunte, flirrende Farben wie in einem Siebzigerjahre-Film.
    Der Himmel ist von einem strahlenden, blendenden Blau, das Meer noch einen Ton tiefblauer, silbrig blitzen Sonnenreflexe auf sanften Wogen. Weiße Flecken und winzige Punkte, Segelboote oder Motorjachten, gleiten dahin und scheinen weiter am Horizont ganz still zu stehen. Sattgelb leuchtet der heiße Sand in den sichelförmigen Buchten, die sich zwischen die Felsen schmiegen. Man sehnt sich nach nichts mehr als nach einem kalten Zitroneneis, um sich dann dort unten auf einem weichen Badetuch auszustrecken, die Hitze aufzusaugen und dann ins kühle Wasser zu tauchen. Spürst du das Prickeln auf der Haut und schmeckst die Zitrone und das Salz auf deinen Lippen? Und erinnerst du dich an das Gefühl, wie es ist, wenn man aus dem Meer steigt? Es kommt einem jedes Mal vor, als würde man nach langer Abwesenheit die Welt wieder betreten.
    Hinter den Buchten mit den Stränden, der Uferstraße und den reflektierenden Karosserien der parkenden Autos erheben sich die mit Pinien und Zypressen bewachsenen Ausläufer des schroffen, in der Mittagssonne metallisch gleißenden Gebirges. Am Abend dann verwandelt es sich in eine feurig glühende Wand, die die unglaubliche Hitze des Tages langsam in die Nacht verströmen lässt. Die Aufwinde der warmen Luftströme nutzend treiben Raubvögel und lassen ihre Blicke schweifen.
    Und dann dieser Duft.
    Die Luft ist schwer von Salz und Meer, eine Brise weht würziges Pinienharz und betörend süßen Jasminduft heran.
    Zwischen Strand und Gebirge krönt ein kleiner Ort die Felsen, eine dichte Ansammlung von verschachtelten, weiß getünchten Häusern mit roten Ziegeldächern.
    Der Ort heißt Les Colonnes, was so viel wie »die Säulen« heißt und wohl mal wieder auf die Römer zurückgeht. Les Colonnes darf man sich nicht wie die mondänen, nach Glamour und Stars klingenden Orte Cannes oder St. Tropez vorstellen. Von Glamour hat Les Colonnes nichts. Reichtum verschanzt sich hinter hohen Hecken und Gartenmauern. Genauso wie die düsteren Geheimnisse. Aber dazu später.
    Les Colonnes ist vom Jetset und den nachfolgenden Touristenhorden, den neureichen Russen, die an der Côte d’Azur mit Kohle um sich werfen, vergessen worden. Und so gibt es immer noch Läden, die unmoderne Klamotten verkaufen, Bäckereien mit richtigen Backstuben, die den Duft nach frischen Croissants und Baguettes verströmen – und es gibt herrlich chaotische, vollgestopfte Lebensmittelläden, die mittags ihren Rollladen halb herunterlassen, unter dem man
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