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Wen die Sehnsucht besiegt

Wen die Sehnsucht besiegt

Titel: Wen die Sehnsucht besiegt
Autoren: Jude Deveraux
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Erklärung abgeben, die sie sich zurechtgelegt hatte, dann entschloß sie sich zur Wahrheit. »Weil wir zu stolz waren. Stolz - der Fluch aller Montgomerys. « Zögernd lächelte sie. »Wegen dieses Stolzes knurrt uns jetzt der Magen, und der Schweiß bricht uns auf der Stirn aus… Spielst du mit dem Dolch, den Vater dir geschenkt hat? «
    Wie ihm erst jetzt bewußt wurde, hielt er den schönen Dolch mit dem vergoldeten Griff in der Hand. Schon vor Jahren waren die Juwelen, die ihn geschmückt hatten, durch Glasperlen ersetzt worden. Aber wenn man die Waffe ins Sonnenlicht hielt, sah man das Gold, das den Stahlgriff immer noch umhüllte. »Ich hatte vergessen, wie gut du mich kennst«, gestand Jamie lachend. Er setzte sich auf ein Kissen zu Berengarias Füßen, lehnte den Kopf an ihre Knie und schloß genüßlich die Augen, als sie sein dichtes schwarzes Haar streichelte. »Keine Frau ist so schön wie du. «
    »Findest du’s nicht ein bißchen eitel, so was zu behaupten - wo wir doch Zwillinge sind? «
    Er küßte ihre Hand. »Oh, ich bin alt und häßlich und voller Narben, während du von der Zeit unberührt bleibst. «
    »Unberührt - das stimmt«, versuchte sie, über ihre Jungfräulichkeit zu scherzen. Aber er lächelte nicht und hob eine Hand vor ihr Gesicht. »Es ist sinnlos«, fügte sie sanft hinzu und hielt seine Finger fest. »Selbst wenn Fackeln direkt vor meinen Augen brennen, sehe ich sie nicht. Und welcher Mann wünscht sich eine blinde Ehefrau? Niemandem auf dieser Welt kann ich nützen. Wäre ich nur bei meiner Geburt gestorben… « Unvermittelt sprang er auf, und sie beteuerte erschrocken: »O Jamie, es tut mir leid. So hab’ ich’s nicht gemeint. Das war gedankenlos von mir. Bitte, setz dich wieder, laß dich berühren. «
    Er gehorchte. Schmerzhaft hämmerte sein Herz gegen die Rippen, wieder einmal quälte ihn sein Gewissen.
    Von Anfang an war er größer gewesen als seine Zwillingsschwester, und so hatte seine Geburt viele Stunden gedauert. Als sie endlich zur Welt kam, umschlang die Nabelschnur ihren Hals. Bald wurde ihre Blindheit offenkundig. Die Hebamme hatte erklärt, daran sei Jamie schuld, weil er sich soviel Zeit genommen habe, um das Licht der Welt zu erblicken. Seither lebte er mit dieser Last, die bleischwer auf seiner Seele lag.
    Die Zwillinge hatten sich stets sehr nahegestanden. Niemals verlor Jamie die Geduld mit seiner Schwester, nie wurde er ihrer Gesellschaft müde. Während der Kindheit hatte er ihr liebevoll geholfen und sie ermutigt, auf Bäume zu klettern, in die Berge zu wandern und sogar allein auszureiten.
    Nur sein Bruder Edward hatte ihn nicht für einen selbstlosen Heiligen gehalten, der sich unermüdlich um die blinde Schwester kümmerte. Als jemand bemerkte, wie freundlich Jamie doch sei, der auf wilde Spiele mit seinen Kameraden verzichtete, um mit Berengaria Beeren zu pflücken, erwiderte Edward: »Er hat ihr doch das Augenlicht gestohlen, oder? Warum sollte er nicht alles für sie tun, was in seiner Macht steht? « Solche Worte hatten Jamie immer wieder in tiefste Verzweiflung getrieben.
    Er holte tief Atem und kehrte in die Gegenwart zurück. »Vor lauter Stolz wollte mir niemand erzählen, was Edward tat? « Neue Schuldgefühle peinigten ihn, weil er seine Schwester verlassen hatte, die ihn dringend brauchte. In seiner Abwesenheit waren schreckliche Dinge geschehen.
    »Mach dir keine Vorwürfe! « Mit beiden Händen umfaßte sie seinen Kopf, zwang ihn, sie anzuschauen, und zerrte an seinen Locken. Es war kaum zu glauben, daß diese schönen, von langen Wimpern umrahmten blauen Augen nichts sahen. »Wenn du mich bemitleidest, reiße ich dir alle Haare aus. «
    »Autsch! « protestierte er lachend, und sie ließ ihn los. Dann drückte er ihre Hand an seine Brust. »Gegen meine Gewissensbisse bin ich machtlos. Ich wußte doch Bescheid über Vater und Edward. «
    »Ja. « Berengaria schnitt eine Grimasse. »Vater steckte die Nase unentwegt in seine Bücher, und Edward führte sich wie ein Schwein auf. Kein Mädchen im Dorf, das den zehnten Geburtstag schon hinter sich hatte, war vor ihm sicher. Und er starb nur deshalb so jung, weil der Teufel ihn mochte und für immer in die Hölle holen wollte. «
    Gegen seinen Willen mußte Jamie lachen. »In diesen letzten Monaten habe ich dich schrecklich vermißt. «
    »Jahre, lieber Bruder. Es waren Jahre. «
    »Warum erinnern sich die Frauen ständig an unwesentliche Einzelheiten? «
    Als sie ihn ins Ohr kniff, schrie
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