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Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor

Titel: Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Autoren: Mark Brandis
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hier wurde die Henri Dunant offenbar bereits erwartet. Ein fahrbares Gerüst setzte sich rüttelnd in Bewegung und kam schnaufend näher. In seinem Schatten machten es sich ein paar Monteure in weißen Kitteln bequem.
    Auf der anderen Seite des Platzes hob ein Versorger ab. Ein paar Atemzüge lang, bis er sich durchgewühlt hatte in den freien Raum, ritt er auf einem wabbernden Feuerball. Die künstliche Atmosphäre, die, magnetisch aufgeladen und festgehalten, über diesem Teil der Venus lag, war seit meinem letzten Besuch erheblich verbessert worden. Inzwischen reichte sie hoch genug hinauf, um selbst dem Glöckner von Notre Dame noch Luft zum Atmen zu bieten. An ihrer Oberfläche war sie wie abgeschnitten. Darüber begann übergangslos das Nichts: die eiskalte Unendlichkeit.
    Ich starrte in einen leeren Himmel.
    Auf der Pharmaplattform hatte es 17 Tote gegeben: gleich zu Anfang des Brandes, durch die Explosion. Alle anderen Insassen - 58 Männer und Frauen - waren abgeborgen. Ich war im Bilde.
    Aus der Schwärze des Himmels löste sich ein Stern. Er kam tiefer, wurde größer, bekam Umrisse, begann zu röhren und verwandelte sich in den Raumrettungskreuzer Henri Dunant. Zwei, drei Sekunden lang stand das gedrungene silberne Schiff unbeweglich über der Rampe -dann glitt es wie an einer unsichtbaren Leine herab, wirbelte ein paar Tonnen venerischen Staubs auf und stand. Das Röhren brach ab.
    In der plötzlich wieder stillen Luft lag das ferne Sirenengeheul der heranpreschenden Ambulanzen.
    Ich blieb auf meinem Transporter sitzen, bis die Geretteten das Schiff verlassen hatten, um unter neuerlichem Sirenengeheul ihren Weg zu den Krankenhäusern der Towns anzutreten - ich zählte vierunddreißig; die fehlenden vierundzwanzig waren wohl an Bord des Standby-Bootes und noch immer unterwegs -, und stand erst auf, als Commander Brandis auf der Gangway erschien.
    Selbst auf die Entfernung hin sah ich, daß die letzten drei Jahre auch an ihm ihre Spuren hinterlassen hatten. Er war hagerer geworden, und die Müdigkeit, die ihm im Gesicht geschrieben stand, rührte gewiß nicht von diesem einen Einsatz her, von dem er gerade zurückkehrte. Als er mich bemerkte, bewegte er eine Hand zur Andeutung eines Grußes.
    Ich begriff: ich war noch nicht an der Reihe. Das fahrbare Gerüst kam rüttelnd herangefahren und legte seine beiden Austernschalen um den Rumpf des Schiffes, und Brandis beriet sich vor dem aufgeklappten Schlund der Abgasturbinen mit einem der Techniker, der den silberfarbenen Schutzhelm eines Ingenieurs trug.
    Brandis wandte sich ab, sprang wie ein Jüngling vom Gerüst und kam mit raschen Schritten auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln.
    „Sie sehen selbst, Martin", sagte er, „weshalb wir uns hier auf der Venus treffen mußten - abgesehen davon, daß es für Sie so bequemer ist."
    Ich blickte hinüber zu den beiden Austernschalen. Die Arbeiten waren bereits im Gange.
    „Ärger mit dem Triebwerk?"
    „Kein Ärger", erwiderte Brandis, „nur kleine Unstimmigkeiten -jedoch solche, die sich in Las Lunas nicht beheben ließen. Ich weiß nicht, ob Sie's schon wissen: Wir haben die Henri Dunant als erstes Schiff der Flotte auf strahlungsfreien Uranitantrieb umgestellt."
    „War nicht ursprünglich die Rede von Photonen?"
    Drei Minuten später kam ich mir vor wie ein Fachmann auf dem Gebiet der Antriebstechniken. Brandis verfügte über die seltene Gabe, viel Informationen in wenige Worte zu kleiden.
    Das neue Herz der Henri Dunant war ein RBB-Triebwerk (RBB -Raumtechnische Betriebe Bremen). Da es mit strahlungsfreiem Uranit, einem gereinigten Abfallprodukt der nuklearen Entsorgung betrieben wurde, benötigte es keine platz- und gewichtvergeudende Bleiabschirmung und war aufgrund dieser Tatsache allen anderen nuklearen Triebwerken um ein Vielfaches überlegen. Und über kurze Strecken konnte es sich schubmäßig durchaus mit einem sechsundzwanzigmal größeren Photonentriebwerk messen. Als Grund der
    Umrüstung nannte Brandis die Vergrößerung des Aktionsradius.
    Ein weiterer Vorteil seien die geringen Kosten des Uraniis, das praktisch überall, wo entsorgt werde, anfalle. Letzteres blieb der einzige Hinweis auf die finanzielle Misere, in der sich die Gesellschaft befand.
    Ich nahm mir vor, mit meinen bescheidenen Mitteln das Meinige dazu beizutragen, um ihr das Überleben in Unabhängigkeit zu sichern. Gleichsam aus dem Stand heraus hatte sie sich - politisch gewissermaßen ein souveräner Staat - zu einer der
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