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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten
Autoren: Dan Wells
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es dafür einen guten Grund gibt. Retten Sie einem Mädchen das Leben, indem sie es bedrohen, dann nimmt es sich gerade genug Zeit, um sich zu bedanken, ehe es Lebewohl sagt.
    Trotzdem fuhr ich langsamer oder hielt manchmal sogar an, wenn ich an ihrem Haus vorbeikam, und fragte mich, was sie wohl gerade tat. Nun gut, sie hatte mich verlassen. Kein Problem. Das hatten alle anderen auch schon getan. Niemand war die Einzige, die mir noch wichtig war, und die wollte ich töten.
    War ich nicht ein toller Typ?
    Ich stieß mich vom Bordstein ab und fuhr zwei Türen weiter zum Bestattungsunternehmen am Ende der Straße. Es war ein weitläufiges Haus mit einer eigenen Kapelle, Büros und einem Einbalsamierungsraum im Anbau. Im ersten Stock darüber wohnte ich mit meiner Mom in einer kleinen Wohnung. Die Leichenhalle war unser Familienunternehmen, allerdings behielten wir es für uns, dass ich oft beim Einbalsamieren half. Das wäre nicht gut fürs Geschäft gewesen. Würden Sie einem Sechzehnjährigen gestatten, Ihre Oma einzubalsamieren? Das will niemand.
    Auf dem Parkplatz lehnte ich das Fahrrad an die Hauswand, schloss die Seitentür auf und betrat das kleine Treppenhaus, von dem zwei Türen abgingen. Die untere führte zur Leichenhalle, die obere zu unserer Wohnung. Die Birne im Flur war durchgebrannt, deshalb stieg ich im Dunkeln die Treppe hoch. Der Fernseher lief, also war Mom noch auf. Müde rieb ich mir die Augen. Ich hatte nicht die geringste Lust, mit ihr zu reden, und blieb für einen Moment schweigend im Flur stehen, um mich zu sammeln.
    Da schnappte ich auf, was der Nachrichtensprecher gerade sagte: »… wurde tot aufgefunden …«
    Lächelnd riss ich die Tür auf. Ein neuer Todesfall – Niemand hatte endlich zugeschlagen. Nach dreiundsechzig Tagen ging es schließlich los.
    Tag eins.
     

ZWEI
     
    Die Dämonin hatte einen Pfarrer ermordet.
    Es kam in den Nachrichten – auf der Wiese vor der presbyterianischen Kirche Thron Gottes war der Geistliche tot aufgefunden worden. Ich schloss die Tür, setzte mich neben Mom aufs Sofa und starrte schweigend auf den Bildschirm. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Ein Reporter interviewte Sheriff Meier und beschrieb den Tatort. Der Pastor lag ausgestreckt auf dem Bauch, aus dem Rücken ragten zwei lange Stöcke – ein Mopp mit abgebrochenem Wischer und ein Fahnenmast ohne Fahne. Jemand hatte sie ihm auf beiden Seiten gleich neben den Schulterblättern in die hinteren Rippen gerammt. Viel zu überrascht, um meine Aufregung zu überspielen, beugte ich mich vor, um besser sehen zu können.
    »Ist es denn zu fassen?«, fragte Mom. »Ich dachte, wir hätten das alles hinter uns.«
    »Ich kenne den Killer«, murmelte ich. Langsam erwachten die Erinnerungen. Es war unverkennbar.
    »Was?«
    »Das ist ein echter Killer.«
    »Natürlich ist es ein echter Killer, John. Der Pfarrer ist tot.«
    »Nein, ich meine, das war niemand aus dem Ort. Vor ein paar Jahren habe ich über genau solch ein Verbrechen etwas gelesen. Hat er auch die Hände abgeschnitten?«
    Der Fernsehreporter machte ein ernstes Gesicht. »Abgesehen von den Pfählen im Rücken hat der Mörder dem Pastor auch die Hände und die Zunge abgeschnitten.«
    »Ha!«, machte ich halb lachend.
    »John!«, ermahnte Mom mich streng. »Was ist das denn für eine Reaktion?«
    »Das ist der Handlanger! Er macht das immer bei den Opfern – er schneidet ihnen die Hände und die Zunge ab und lässt sie mit Stöcken im Rücken vor dem Haus liegen.« Ich starrte die verwackelten Bilder vom Tatort an und schüttelte verwundert den Kopf. »Ich hatte bloß keine Ahnung, dass ein Dämon dahintersteckt.«
    »Das muss ja auch nicht zutreffen.« Mom stand auf und trug den Abendbrotteller in die Küche. Sie hatte den ersten Dämon gesehen und wusste vom zweiten, redete aber nach wie vor nicht gern darüber.
    »Natürlich ist es ein Dämon«, erwiderte ich. »Crowley war einer, Forman war auch einer und hat Crowley gesucht. Jetzt kommt ein weiterer Dämon, weil Forman ausgeschaltet ist.«
    Mom schwieg.
    »Wie willst du das wissen?«, entgegnete sie schließlich. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass ich Niemand angerufen hatte; sie wäre mir doch nur in die Quere gekommen und hätte mich beschützen wollen.
    »Hast du eine Ahnung, wie unwahrscheinlich es ist, dass unabhängig voneinander drei verschiedene Serienkiller in einer so kleinen Stadt auftauchen?«, fragte ich zurück, während ich ihr ins Wohnzimmer folgte. »Und warum lässt
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