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Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
Autoren: Jess Rothenberg
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linken Wange saß sogar ein winziges Grübchen, das ihn absolut bezaubernd machte, wenn er einen Lachanfall bekam – und die bekam er oft.
    Mein Bruder und ich waren von dem Augenblick an beste Freunde, als Mom und Dad ihn vom Krankenhaus nach Hause brachten und er auf meinen Armen einschlief. An unserem Kühlschrank hängt davon ein Bild: Er ist in eine kleine blaue Decke eingewickelt und hat ein Mützchen auf dem Kopf, und ich trage meinen Scooby-Doo-Pyjama und einen unordentlichen Pferdeschwanz. Von diesem Tag an waren er und ich ein Team. Kumpel. Wir waren das fröhliche Gefühl, das man bei dem Kinderlied Apples and Bananas von Raffi bekommt. Jack war der Einzige, der mich bei Vier gewinnt schlagen konnte.

    Meine Trauerfeier war schwer zu ertragen, wie hätte es auch anders sein können. Aber ich glaube, das Traurigste daran war, Jack zu sehen, wie er ins Leere starrte.
    Er weinte nicht. Das war nicht nötig.
    Die ganze Schule war erschienen. Mrs. Brenner, meine barbieblonde Englischlehrerin und langjährige Nachbarin, saß neben meiner Mutter und hielt deren Hand. Mein Dad trug einen anthrazitgrauen Blazer und die Krawatte, die ich ihm zu seinem vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte – die mit den pink- und lilafarbenen Elefanten. Sein Gesicht war wie versteinert, und er sah müde aus. Die dunklen Schatten unter seinen Augen verrieten, dass er seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen hatte. Er saß rechts neben Mom und hielt sie, seinen Arm um ihre Schultern gelegt, eng an sich gedrückt, als hätte er Angst, sie könnte auseinanderfallen, wenn er sie losließe.
    Oder vielleicht er selbst.
    Ich konnte meinen Blick nicht von Mom abwenden. Die Art, wie sie geradeaus auf einen Blumenschmuck starrte. Ihre Haut, die so spröde aussah, als wäre die Trauer über meinen Tod bis tief in ihre Poren vorgedrungen. Der dezente Duft ihres Rosenwasser-Parfüms, der die Luft zwischen uns erfüllte.
    Mom.
    Ich warf einen Blick über die Menge und dachte daran, wie absurd es war, vor so vielen Leuten zu sitzen. Ich nahm jedes Detail in mir auf und wunderte mich darüber, wie viele Menschen gekommen waren, die mich kaum gegrüßt hatten, als ich noch lebte. Und trotzdem waren sie hier.
    Aaron Wilsey, ein Schüler aus der siebten Klasse, der nie seine Geographiehausaufgaben machte und ständig Haie in sein Heft malte. Lexi Rhodes, die vom ersten Tag der neunten Klasse an dicken schwarzen Eyeliner trug. Mackenzie Carter, die vor ein paar Jahren zu Jesus gefunden und es nie bereut hatte. Ich fragte mich, ob sie glaubte, dass ich jetzt bei ihm sei, und ob sie das beruhigte.
    Hunderte Schüler, Freunde, Eltern und Lehrer füllten die Stuhlreihen in der Aula der Pacific-Crest-Highschool, in der ich gerade die elfte Klasse begonnen hatte. In diesem Moment fiel mir ein, dass dies nicht die erste Trauerfeier war, an der ich hier teilnahm. Es war die zweite.
    Auch für Larkin Ramsey hatte es hier eine Gedenkfeier gegeben. Sie war ein paar Jahre älter als ich gewesen und in einem Feuer umgekommen, weil sie eine Kerze in ihrem Schlafzimmer hatte brennen lassen. Ich hatte damals schon seit mindestens zwei Jahren nicht mehr mit Larkin gesprochen. Doch als wir jünger waren, hatten sich unsere Eltern dabei abgewechselt, uns zur Schule zu fahren, und wir waren damals ziemlich gute Freundinnen gewesen. (Wir hüpften in ihrem Garten Trampolin, jagten uns nach der Schule gegenseitig auf unseren Rollerblades – solche Dinge eben.) Sie hatte wunderschönes schwarzes Haar und zeigte mir, wie ich mir einen Französischen Zopf flechten konnte, was mich in der vierten Klasse um mindestens neununddreißig Prozent cooler machte.
    Doch dann, sie war wohl in der neunten Klasse und ich in der siebten, stritten wir uns über irgendetwas Belangloses, an das ich mich nicht mehr erinnern kann, und gingen von da an getrennte Wege. Ich begann mit dem Kunstspringen, und sie entdeckte ihre Leidenschaft für das Fotografieren und verbrachte viel Zeit allein. Und als ich in die Highschool kam, war ihr Gesicht nur noch eines unter vielen, denen ich auf dem Gang begegnete.
    Wenn ich daran dachte, wie viel Spaß wir als Kinder zusammen gehabt hatten, machte mich das traurig. Aber ich glaube, es gehört zu unserem Leben, dass Freundschaften manchmal kommen und gehen wie Modetrends – in einer Saison sind sie in und in der nächsten out.
    Ungefähr so wie Freundinnen, nicht wahr, Jakob?
    Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, an dem ich von Larkins Tod erfuhr.
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