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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod
Autoren: Roman Rausch
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hatten, wies Lotte in den Gang. «Dritte Tür links.»
    «Danke», erwiderte Lili, «und überleg dir das nochmal mit dem Rauchen.»
    Lotte lächelte. «Viel Glück.»
    Sie sperrte Lottes Wohnungstür auf. Dahinter erkannte Lili einen Mann im ausgeleierten Jogginganzug, eine Flasche Bier in der Hand. Er blickte ihr geradewegs in die Augen, als er zum Trinken ansetzte.
    Lili ging weiter. Der Geruch von abgestandenem Frittierfett drang ihr in die Nase. Der Linoleumboden klebte. Von den Wänden grinsten sie die Schmierereien pubertierender Jugendlicher an.
    Im fahlen Neonlicht erkannte sie verblichenes Gekritzel auf dem Namensschild. Sie klingelte und wartete. Keine Reaktion. Sie klopfte.
    Das Geräusch kleiner trampelnder Füße, dann öffnete sich die Tür. Ein Junge, acht oder neun Jahre alt, blickte sie misstrauisch an.
    «Ich möchte mit deinen Eltern sprechen», sagte Lili freundlich.
    Der Kleine drehte sich wortlos um und lief zurück. In den Gang fiel das blassblaue Licht eines Fernsehers. Dahinter eine Tür, einen Spalt offen. Ein Gesicht lugte hervor. Es wurde verdeckt von der Gestalt einer Frau im rosafarbenen Bademantel, Haare hochgesteckt. Sie begrüßte Lili argwöhnisch. «Was gibt’s?»
    «Mein Name ist Lili Waan, ich bin eine Lehrerin von Nicole …»
    «Hat sie wieder was ausgefressen?», unterbrach sie die Frau.
    «Nein, nein. Ich bin wegen etwas anderem hier.» Lili wartete darauf, in die Wohnung gebeten zu werden. Vergebens. Sie holte die Zeichnung hervor und hielt sie der Mutter hin. «Das hat Nicole heute Nachmittag in meiner Stunde gemalt.»
    Die Frau warf einen flüchtigen Blick darauf. «Na und?»
    «Erkennen Sie den roten Punkt, den sie zwischen den Beinen gemalt hat?»
    Sie schaute genauer hin. «Deswegen kommen Sie mitten in der Nacht hierher?»
    «Ja, und außerdem habe ich mich mit ihr darüber unterhalten.»
    «Machen Sie’s nicht so spannend.»
    «Sie sagt, dass sie von jemandem aus der Familie sexuell bedrängt wird.»
    Die Frau erschrak. «Wie bitte?!» Dann wandte sie sich um. «Nikki, komm her!»
    Aus dem Spalt trat Nicole hervor. Sie hatte die Unterhaltung belauscht. Den Kopf gesenkt, trat sie neben ihre Mutter. Durch die Stimmen im Gang aufgeschreckt, kam ein Mann aus dem Wohnzimmer hinzu. «Was ist hier los?», blaffte er.
    «Deine Tochter behauptet, dass du sie fickst.»
    «Das habe ich nicht gesagt», widersprach Lili.
    «Was dann?», wollte er wissen.
    «Fragen wir sie doch am besten selbst», schlug Lili vor. «Hab keine Angst, Nicole. Ich bin hier, um dir zu helfen.»
    «Einen Scheiß werden Sie», fuhr die Mutter sie an. Dann zu ihrer Tochter: «Was verbreitest du wieder für Lügen über uns?»
    Nicole brachte keinen Ton heraus.
    «Hab keine Angst», beruhigte sie Lili, «du musst nur sagen, was du mir heute erzählt hast.»
    «Jetzt mach deinen Mund auf», keifte die Mutter.
    «Nichts hab ich erzählt», sagte sie kleinlaut.
    «Na, also», bekräftigte der Vater.
    «Nicole», versuchte Lili es noch einmal, «bitte.»
    «Nichts hab ich erzählt», wiederholte Nicole. «Gehen Sie weg.»
    «Ab in dein Zimmer», ordnete die Mutter an. «Wir sprechen uns noch.»
    Doch so schnell wollte sich Lili nicht geschlagen geben. «Interessiert es Sie überhaupt nicht, was Ihre Tochter …»
    «Hören Sie», schnitt die Mutter ihr das Wort ab, «nehmen Sie das Gekritzel wieder mit und kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten. Ich weiß, was meine Tochter tut und was nicht. Wenn ihr hier jemand ans Höschen geht, dann bin ich die Erste, die das erfährt. Und lassen Sie meinen Mann aus dem Spiel.»
    Die Tür flog Lili vor der Nase zu. «Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen», rief sie gegen die Ignoranz an.
    Wütend trat Lili den Rückweg an. Sie ärgerte sich, dass sie sich so einfach hatte abwimmeln lassen. Sie hätte gleich mit dem Jugendamt anrücken sollen. Verdammtes Pack. Wieso erkennen sie die Zeichen nicht?
    Als Lili im Erdgeschoss angelangt war, hörte sie Rap-Musik. Eine Tür stand offen. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper lehnte lässig am Türstock. Kurzhaarschnitt, sonnenbankgebräunt, Tätowierungen über der Brust, Adidas-Schuhe, lässige Jeans. Kanakenstyle.
    «Hey, Pussy, was geht?»
    Er spannte die Muskeln. Lili ließ ihn stehen.
    Er griff sich in den Schritt und rappte: «Komm, wir machen Party … mit Wodka und Bacardi … Shake … shake dein Arsch.»

8
    D as Team war versammelt.
    Der dunkelhäutige Luansi Benguela, Michaelis’ Stellvertreter, der
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