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Weine nicht, Prinzessin

Weine nicht, Prinzessin

Titel: Weine nicht, Prinzessin
Autoren: Carolin Philipps
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ausgerechnet mitten in die Mathestunde hinein. Obwohl Lara ihr Handy leise gestellt hat, brummt es in ihrer Schultasche so laut, dass Herr Distel von der Tafel zu ihr hinüberschaut.
    Der Lehrer ist sichtlich verärgert, denn es ist nicht das erste Mal, dass Lara ihr Handy verbotenerweise im Unterricht eingeschaltet hat.
    »Du kennst die Regel, Lara!« Der Lehrer streckt die Hand aus.
    »Lara ist handysüchtig! Die stirbt ohne ihr Handy!«, schreit Martin aus der hintersten Reihe. Die Klasse lacht.
    Lara streckt ihm die Zunge heraus, während sie ohne zu protestieren ihr Handy aus der Tasche zieht und es vorne auf das Lehrerpult legt.
    »Du kannst es morgen nach der sechsten Stunde im Lehrerzimmer abholen!«
    Lara nickt wieder und setzt sich auf ihren Platz.
    »Hey, du hättest was sagen sollen!«, flüstert Meike, Laras ehemals beste Freundin neben ihr. »Der Distel ist nicht so. Mit dem kann man reden.«
    Lara zuckt die Achseln. »Will ich aber gar nicht! Soll er es doch bis morgen behalten. Ich brauch es nicht.«
    Meike schaut sie verwundert an. Das sind ja ganz neue Töne. Seit einigen Monaten kann Lara keine zehn Minuten ohne ihr Handy auskommen. Da hat Martin schon recht, obwohl es unfair war, das vor der Klasse zu sagen.
    Alle Freundinnen sind total genervt, weil Lara immerzu aufs Display schaut, ob eine neue SMS von diesem Henk da ist. Henk hier, Henk da, Meike kann es schon nicht mehr hören. Sie gönnt es Lara, dass sie so schrecklich verliebt ist, er sieht ja auch toll aus, aber dafür nimmt er jede einzelne freie Sekunde von Lara in Anspruch, belegt ihre Gefühle und Gedanken so komplett, dass selbst für ihre besten Freundinnen kein Platz mehr ist.
    Was niemand weiß: Lara besitzt zwei Handys, eins für jedes ihrer beiden Leben. Auf dem zweiten gibt es nur eine Nummer, es ist ihr Kontakt zu Henk. Und dieses Handy muss sie immer eingeschaltet lassen. Eine seiner Regeln.
    Während sich die anderen über ihre Geometrieaufgabe beugen und eifrig Dreiecke und Kreise malen, bückt sich Lara, tut so, als würde sie etwas in ihrer Schultasche suchen, und schaut dabei heimlich auf das Display von Henks Handy.
    Die vertraute Nummer mit der inzwischen auch vertrauten Nachricht: »13.35 vor dem Schultor. Beeil dich!«
    Endlich! Henk hat sie doch nicht vergessen. Zwei lange Tage hat sie darauf gewartet in der bangen Ungewissheit: Hat er sie – wie mehrfach angedroht – gegen eine andere ausgetauscht? Weil sie ihre Tränen nicht unter Kontrolle hat?
    Für Lara ist es unvorstellbar, dass sie jemals einen anderen als Henk lieben könnte, aber sie weiß genau, dass Henk seine Drohung ohne mit der Wimper zu zucken wahr machen würde. So wie er es ja jetzt schon mit der Treue nicht immer so ernst nimmt, wie sie das gerne hätte.
    »Männer sind eben so. Das ist normal. Sie können einer Frau nicht treu sein«, hat er erklärt, als sie ihn einmal mit einem anderen Mädchen im Arm gesehen hat. »Das ist wie ein Naturgesetz. Wenn du das nicht ertragen kannst, bist du die Falsche für mich. Außerdem steigst du doch auch mit anderen Männern ins Bett.«
    »Aber das will ich doch gar nicht … Ich mache das doch nur … Das tue ich doch nur für dich.« Wieder einmal schossen Lara diese verhassten Tränen in die Augen.
    »Ist doch egal für wen oder warum. Liebe hat doch nichts damit zu tun, wer mit wem ins Bett geht. Sieh mich mal an, Prinzessin!« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und gab ihr einen Kuss. »Du bist wohl einfach noch zu jung, um das zu verstehen. Wir sind zusammen, und nur das ist wichtig, oder?«
    Er hat ja recht. Sie sind zusammen. Henk und Lara. Lara und Henk. Und nur das ist wichtig.
    Lara hat sich nie wieder beschwert.
    Es gibt viele Dinge, die in ihrem Leben an der Seite von Henk »normal« sind. Ihr Vater hat sie noch nie geschlagen und wird das ganz bestimmt auch niemals tun. Auch wenn sich ihre Eltern manchmal streiten, anschreien, dass die Gläser im Schrank wackeln und wütend Türen zugeknallt werden, nie hat einer die Hand erhoben, um zu schlagen.
    Henk dagegen schlägt sofort zu, wenn er sich über Lara ärgert.
    Aber daran ist Lara ja selber schuld. Sie gibt ihm immer wieder einen Anlass dafür. Ihr wird jedes Mal übel, wenn sie mit einem seiner Freunde ins Bett gehen muss. Wie oft sitzt sie hinterher da und die Tränen laufen ihr übers Gesicht, ohne dass sie es verhindern kann.
    Henk hasst Tränen.
    Und dann und auch nur dann schlägt er sie.
    Aber das ist allein ihre Schuld. Sie weiß
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