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Weine nicht, Prinzessin

Weine nicht, Prinzessin

Titel: Weine nicht, Prinzessin
Autoren: Carolin Philipps
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Marmeladen aufgedeckt hat, schnappt sie sich ein Brötchen und setzt sich auf die Terrasse. Schon nach kurzer Zeit haben sich alle Spatzen der Umgebung um sie herum versammelt und schauen erwartungsvoll zu ihr hoch. Sie füttert sie mit Brotkrumen.
    Immer wieder schaut sie zwischendurch auf das Display ihres Handys. Keine Nachricht von Henk.
    Eine halbe Stunde später erscheint ihr Vater, wie immer eine hektisch-fröhliche Stimmung verbreitend. Kaffeeduft zieht durch das Haus, Brötchen werden im Backofen geröstet.
    »Eier mit Speck, Lara, wie immer?«
    Wie schön, dass es dies »wie immer« noch gibt. Auch wenn es selten geworden ist.
    »Hier, zum Wachwerden! Mit einem besonderen Gruß aus der Küche.« Der Vater stellt Lara den Teller mit Speck und Eiern vor die Nase. Speck und Eier gehören, seit Lara denken kann, zu jedem Samstagmorgen. Wenigstens das hat sich nicht geändert.
    Auch die Mutter erscheint frisch geduscht und nach Pfirsich duftend.
    Lara stochert in ihren Eiern herum.
    »Hast du heute schon etwas vor?«, fragt die Mutter und beißt in ihr Honigbrötchen.
    Lara schüttelt den Kopf.
    »Du könntest dich mit Meike treffen. Die war schon lange nicht mehr hier.«
    »Meike hat schon was anderes vor.« Lara zerrührt die Eier und den Speck.
    »Du isst ja gar nicht. Hast du keinen Appetit?«, fragt der Vater besorgt.
    »Habt ihr euch gestritten?«, fragt die Mutter, nun ebenfalls besorgt.
    »Kind, du musst essen«, meint der Vater. »Du bist schon so dünn geworden. Komm doch nachher mit Meike ins Pfannkuchenhaus. Was hältst du von einem Pfannkuchen mit Pflaumenmus, den isst du doch immer so gerne?!« Für Laras Vater lassen sich alle Probleme mit einem Spezialpfannkuchen lösen.
    Aber es gibt wohl keinen, der Henk herbeizaubern kann.
    Lara schiebt ihren Teller beiseite. »Ich habe keinen Hunger.«
    Sie steht auf und geht aus dem Zimmer.
    »Ich mache mir Sorgen!«, hört sie die Mutter hinter sich sagen. »Irgendetwas stimmt nicht mit ihr.«
    »Ach was, unsere Lara kommt in die Pubertät. Da spielen die Hormone eben verrückt. Das wird schon wieder«, meint der Vater.
    Lara steht oben am Fenster und schaut hinaus auf die Straße. Der Nachbar wäscht sein Auto wie jeden Samstag, Frau Pretz fährt mit ihrem Fahrrad zum Markt. Markus, der Nachbarsjunge, führt seinen Hund Gassi. Es ist wie jeden Samstag.
    Wo mag Henk jetzt sein? Denkt er an sie, so wie sie pausenlos an ihn denkt?
    Sie sieht sein Gesicht vor sich. Er lächelt, so wie er das in letzter Zeit nur noch selten tut.
    Wo bist du, Henk? Wann kommst du endlich zurück?
    Leise Harfentöne mischen sich in ihre sehnsuchtsvollen Gedanken. Wie von Zauberhand schieben sie das Gesicht von Henk beiseite, weiter und weiter in den Hintergrund, bis es nur noch ein verschwommener Umriss ist und dann ganz verschwindet.
    Lara dreht sich wütend zu ihrer Mutter um.
    »Warum tust du das? Jetzt hast du ihn vertrieben.«
    Aber Laras Mutter hört nicht. Ihre Hände fliegen über die Saiten und so wie die Harfentöne Henks Gesicht verdrängt haben, so verdrängen sie jetzt Laras Wut.
    »Zaubertöne«, nannte die Großmutter sie. »Aber das ist auch kein Wunder, denn die Harfe ist das Instrument der Engel.«
    Lara setzt sich auf ihr Bett, schließt die Augen und lauscht der Melodie. Händel. Harfenkonzert B-Dur op. 4 Nr. 6. Allegro moderato. Seit Monaten übt sie es. Wird es jemals so klingen wie bei ihrer Mutter oder der Großmutter?
    Auch Lara lernt seit sechs Jahren Harfe spielen. Ein anderes Instrument kam nie für sie infrage. Die Großmutter glaubte, dass sie einmal eine ganz Große werden wird.
    Die letzten Töne schweben durch das Zimmer. Lara hält den Atem an.
    Die Mutter steht auf und streicht ihr über den Kopf. »Es wird alles gut, du wirst sehen. Es gibt solche Phasen, wo man zu nichts Lust hat. Ich kann mir auch Schöneres vorstellen, als den ganzen Tag im Restaurant zu arbeiten.«
    Die Eltern verabschieden sich, Lara bleibt wie so oft in letzter Zeit alleine zu Hause.
    Ein ganzes Wochenende ohne Henk liegt nun vor ihr. Wie soll sie das nur aushalten? Die Sehnsucht nach ihm ist unerträglich. Immer wieder schaut sie auf ihr Handy. Warum meldet er sich nicht?
    Schließlich setzt sie sich an ihre Harfe und fängt an zu spielen. Langsam, dann immer schneller gleiten ihre Finger über die Saiten, die Melodie trägt sie davon. Die Sehnsucht nach Henk lässt sie hinter sich.

3
    Das lang ersehnte Lebenszeichen von Henk rauscht erst am Montag ein und dann
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