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Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Autoren: Uwe Friedrichsen , Ursula Richter
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anderen Schauspieler in Schutz nehmen müssen, bevor er ihn zur Rede stellte. Tim erklärte, daß Joseph eine so traurige Stimme gehabt hätte, da hätte er nicht nein sagen können und zu Hause hätten sie auch immer Platz für alle, notfalls auf der Luftmatratze.
    Herr Larssen zeigte Mitgefühl und Verständnis. Dies sei doch eine Geschichte, erklärte er, und die müsse man genauso spielen, wie sie aufgeschrieben sei — oder würde Tim zum Beispiel seiner Mutter erlauben, dasselbe Märchen einmal so und dann wieder ganz anders zu erzählen, etwa mit einem lieben Wolf und einem bösen Rotkäppchen?
    Nein, das wollte Tim nicht und bei der nächsten Aufführung wollte er sich Mühe geben, ein böser Wirt zu sein; er versprach es dem Lehrer in die Hand.
    Die zweite Aufführung fand im Gemeindesaal der Kirche statt und war, wenn möglich, für alle Beteiligten noch aufregender. Konnte man wissen, wer alles zuschauen würde?
    Unter ärgsten Androhungen hatte Thomas seinem kleinen Bruder eingebläut, dieses Mal auf Josephs Anfrage mit einem klaren zu antworten. Als die beiden Brüder um die Ecke des Gemeindehauses bogen, bekam Tinchen-Maria rote Flecken am Hals und flüsterte Thomas zu, eine zweite Panne würde sie nicht überleben.
    Der große Saal war voll bis zum letzten Sitzplatz.
    Dann ging der Vorhang auf, das heilige Paar erschien und wanderte — wie es aussah etwas zögerlich — auf die Herberge zu.
    Joseph klopfte an die Läden, aber alles blieb still. Er pochte erneut, aber sie öffneten sich nicht.
    Maria entrang sich ein Schluchzen.
    Schließlich rief Joseph mit lauter Stimme «hier ist wohl kein Zimmer frei??» In die schweigende Stille, in der man eine Nadel hätte fallen hören, ertönte ein leises, aber deutliches «Doch».
    Für die dritte und letzte Aufführung des Krippenspiels in diesem Jahr wurde Tim seiner Rolle als böser Wirt enthoben. Er bekam Stofflügel und wurde zu den Engeln im Stall versetzt.
    Sein war unüberhörbar und es bestand kein Zweifel, daß er endlich am richtigen Platz war.

    Maria Wolff

«...leer Dein gold’nes Wägele aus!»

    In den letzten Wochen vor Weihnachten begann eine fieberhafte Tätigkeit. Es wurde geputzt, poliert und geschrubbt, als würde das Christkind persönlich herniedersteigen, den Zeigefinger in die Ecken bohren und mit anerkennendem Blick sagen: «Alle Achtung, blitzsauber!» Wenn Mutter und Kuni aus den Strömen von Seifenwasser, Bohnerwachs und Messingputz wieder auftauchten, folgte die zweite Phase: Das Einkaufen. Damit begann der Horizont von der niederen Ebene des Putzeimers, Scheuertuchs und Besens sich auf eine wesentlich höhere zu verlagern. Es wurde geplant, gerechnet und lange Listen wurden aufgestellt. Worte wie Butterzeug, Makronen, Eierzucker, Anisplätzchen und Lebkuchen fielen. Wir Kinder spitzten die Ohren und rieben uns den Magen im Vorgenuß all der Köstlichkeiten. In ein Umhängetuch eingemummelt, einer riesigen Krähe gleichend, eilte unsere Kuni mit einem großen Henkelkorb am Arm in die Stadt. Unmengen von Mehl, Zucker, Rosinen, Sultaninen, Zitronat, Mandeln und Gewürzen wanderten über den Ladentisch zu ihr herüber.
    Aus Achtel und Förrenbach lieferten die Botinnen Schmalz, Butter und Eier ins Haus. Gleichzeitig nahmen sie die Bestellung von Weihnachtsgans und -hasen entgegen.
    In der Speisekammer türmten sich die Vorräte. Wir standen staunend und sinnend davor und hatten die Hände auf den Rücken gelegt. Die Mutter wurde mit tausend Fragen bestürmt. Doch ohne einen Augenblick in ihrer Werkelei einzuhalten, schob sie uns beiseite. «Geht zum Spielen, Kinder!» Aber die Spiele wollten nicht so recht gelingen, sie waren leer und langweilig. Die weihnachtliche Stimmung, die über dem Haus lag, hatte uns ihr goldenes Netz über den Kopf geworfen, und wir gingen auf Zehenspitzen umher. Wir wagten nur zu flüstern, damit nichts diesen Zauber breche. Oh, diese geheimnisvollen Abende, an denen unsere Eltern im Weihnachtszimmer weilten und endlos lange Beratungen mit dem Christkind abhielten! Das «gute» Zimmer war zum Festzimmer aufgestiegen und vor uns verschlossen wie Blaubarts Stube vor seinen neugierigen Frauen. Manchmal, wenn wir uns allein und unbeobachtet glaubten, wagten wir atemlos und unter fast hörbarem Herzklopfen ein Blinzeln durch das Schlüsselloch. «Ich habe einen goldenen Schein gesehen», sagte ich zu meinem Bruder, der mich wegdrängelte und — schubste, um auch seinerseits etwas von dem
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