Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
WattenMord (German Edition)

WattenMord (German Edition)

Titel: WattenMord (German Edition)
Autoren: Andreas Schmidt
Vom Netzwerk:
Stille und nahm sich einen Augenblick Zeit. Sie setzte sich auf die unterste Bank und betrachtete das Treiben im Großbecken. Das Wasser selbst war gefiltert und wurde von Eiweiß gereinigt. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse erkannte sie die leichte Strömung um den nachgebildeten Felsen in der Mitte des Beckens, die Algen und feinste Partikel vor sich hertrieb. Und da war noch etwas, das sie verwunderte: Auf dem Boden des Aquariums wimmelte es von Fischen. Es schien, als hätten sich alle Tiere, die in dem Becken lebten, an einer Stelle versammelt. So etwas war außergewöhnlich und kam nur dann vor, wenn es Futter gab, das man nur an einer einzigen Stelle ausgelegt hatte. Doch die Meeresbiologen des Multimar waren keine Anfänger – sie wussten, wie man Fische artgerecht fütterte. Was also war es, das die Fische so in den Bann zog, dass sie in hektisches Treiben ausgebrochen waren?
    Beke erhob sich verwundert und trat nah an die Scheibe, um im Zwielicht des Großbassins etwas erkennen zu können. Die Fische nahm sie nur schemenhaft wahr, zu sehr spiegelte sich das Arbeitslicht des Vorraumes im Glas. Es war eine unheimliche und bizarre Szenerie, und Beke legte schützend beide Hände zwischen Gesicht und Scheibe, um in das Innere des Beckens blicken zu können. Die Ranken im nachgebildeten Felsen verschwammen mit den aufgeregt wirkenden Tieren zu einer breiigen Masse, und Beke war versucht, den Technikbereich des Multimar aufzusuchen, um die Beleuchtung des Großbeckens einzuschalten. Hier stimmte etwas nicht, so viel stand für die Ausstellungsbetreuerin fest. Sie blinzelte in das Schummerlicht und traute ihren Augen nicht: Täuschte sie sich, oder lag da eine menschliche Gestalt am Grund des Beckens?
    Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und Beke rang nach Luft. Sie spähte angestrengt ins Wasser und glaubte nun tatsächlich, einen Arm erkennen zu können, der im Wasser trieb. Je länger sie hinsah, desto sicherer wurde sie. Nun kannte sie den Grund, warum sich die Fische hier unten versammelt hatten: Sie witterten Nahrung. Einer der Rochen schien seine Beute besonders zu genießen; ein Katzenhai zog bereits lauernd seine Bahnen um den leblosen Körper im Wasser.
    Es war ein bizarrer Anblick: Der Mensch am Boden des Großbassins leistete keine Gegenwehr. Er ließ es widerstandslos geschehen, dass die Fische an ihm herumknabberten. Der Hummer hatte sein Versteck verlassen. Er machte sich mit seinen Scheren an den Händen und im Gesicht des Unbekannten zu schaffen. Die Rochen hatten mit ihren Raspelzähnen flächige Abschürfungen auf der freien Haut des Mannes hinterlassen. Nun erkannte Beke auch ein wächsernes Gesicht. Mund und Augen standen offen, und sie fürchtete, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Es war zu dunkel, um die winzigen blutigen Wunden im Gesicht des Mannes zu erkennen, doch Beke konnte die offenen Stellen erahnen.
    Sie stieß sich von der dicken Glasscheibe ab und schüttelte den Kopf. Spielte ihr die Fantasie einen Streich? Natürlich, dachte sie, natürlich ist es eine sehr kurze und durchliebte Nacht gewesen, und sie hatte denkbar wenig Schlaf gefunden, doch war
    es möglich, dass sie sich das, was hinter der mehr
    als dreißig Zentimeter dicken Scheibe geschah, einbildete?
    Beke zögerte, dann gab sie sich einen Ruck und wandte sich um. Sie presste ihr erhitztes Gesicht an das kühle Glas und blickte angestrengt in das Wasser.
    Nein, dachte sie und spürte, wie Adrenalin in ihre Blutbahn floss. Keine Einbildung. Der Mensch im Wasser war Realität.
    Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wie war der Mann hinter dem Glas in das Großbassin gekommen? Hatte sich jemand in den Technikraum über dem Becken verirrt und war durch einen Fehltritt in das Aquarium gestürzt?
    „Hilfe“, durchzuckte es sie brennend. „Ich muss Hilfe holen.“
    Nach einem letzten Blick ins schummrige Wasser rannte sie aus dem Forum. Sollte der Mann im Wasser noch leben, kam es jetzt auf jede Sekunde an. Den vernünftigsten Gedanken, nämlich den, dass der Mensch schon längst tot war, verdrängte sie.

DREI
    Tönning, 8.50 Uhr
    Wiebke spürte, dass etwas mit ihrem Partner nicht stimmte. Die junge Kommissarin hatte ihn schon während der Fahrt nach Tönning immer wieder von der Seite betrachtet, doch Hauptkommissar Jan Petersen hatte stur nach vorn geblickt und das Lenkrad so fest umklammert, als würde er es am liebsten zwischen den Händen zerquetschen. Unterwegs sprach er nur über ihren Auftrag – kein einziges
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher