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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Autoren: Sanbine Czerny
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darin, was Kinder zur Einschulung können und wie sie sind. Spätestens nach ein paar Wochen kann ich Rückschlüsse ziehen, die sich eigentlich immer bewahrheiten: Sprachlich geschickt, mit gutem Wortschatz und auch ansonsten mit einem reichhaltigen Erfahrungsschatz ausgestattet, sind meist Kinder aus einem besser situierten
Elternhaus. Diese Kinder wirken häufig auch schon souveräner, reifer, strukturierter und in sich ruhend. Sie können von Ausflügen oder vom Urlaub erzählen, sie haben eventuell schon einmal eine Tempelanlage in Griechenland gesehen oder verschiedenste Gemüsesorten gegessen. Sie verstehen Anweisungen und Regeln gut, da sie zum Beispiel daheim regelmäßig mit den Eltern Spiele spielen. Meist ist die Mutter, seltener der Vater nicht berufstätig und hat Zeit und Muße, sich liebevoll um das Kind zu kümmern.
    Ohne zu sehr verallgemeinern zu wollen, fallen Kinder aus sozial benachteiligten Familien dagegen oft schon auf, weil Materialien fehlen, sie unordentlicher sind und ihre sprachliche Entwicklung weniger fortgeschritten ist. Nicht selten sind sie verhaltensauffällig, vielleicht weil eine schwierige familiäre Situation sie innerlich beschäftigt, oder sie sind unsicher, unselbstständig und manchmal auch aggressiv, da sie mit dem vielen Frust, der sich bis zu diesem Zeitpunkt schon in ihnen angestaut hat, einfach nicht umgehen können. Ob sie deshalb tatsächlich weniger intelligent sind oder weniger Leistung bringen können?
    Bei Elterngesprächen habe ich mich schon oft gefragt, wer sich eigentlich darum kümmert, dass Eltern überhaupt wieder die Kraft und die Möglichkeit haben, um gut für ihre Kinder sorgen zu können. Dabei wird die Grundlage für eine erfolgreiche Schullaufbahn in der Familie gelegt, sie ist der zentrale Ort für den Reifeprozess der Kinder. Das Geheimnis für den späteren Lebenserfolg liegt zu einem Großteil in der gelungenen, warmen und erfüllenden Beziehung zu stabilen, erwachsenen Bezugspersonen in der Kindheit.
    Wie einfach machen wir es uns aber, wenn wir sagen, Erziehung sei Sache der Eltern, die Eltern hätten sich zu kümmern, sie sollten eben keine Kinder in die Welt setzen, wenn sie nicht für diese sorgen könnten. Ich habe jedoch noch kein Elternteil kennengelernt, das sich nicht kümmern wollte, aber viele, die einfach nicht mehr konnten oder nicht wussten, wie. Eltern, die keine Kraft mehr hatten. Wertevermittlung kostet Kraft. Kraft, diesen Werten treu zu bleiben, trotz aller Schwierigkeiten, trotz
aller Gegenspieler wie den Medien, oder ganz allgemein trotz unserer schnelllebigen Konsumgesellschaft. Wie viel einfacher ist es nachzugeben. Allein der normale Alltag ist oft sehr fordernd und anstrengend. Nicht wenigen Eltern fällt es schwer, diesen Alltag auch noch ansprechend und kindgerecht zu gestalten. Kein Wunder, dass viele Kinder stundenlang vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen - mit schlimmen Folgen. Schon in der ersten Klasse wird dann über „Das Schweigen der Lämmer”‚ „Star Wars”, „Terminator” oder ähnliche Filme gesprochen. Oder die Kinder erzählen, wie viele Wesen sie bei diesem oder jenem PC-Spiel am gestrigen Nachmittag abgeschossen haben. Aus den Steckwürfeln für die Mathematikaufgaben werden in der Freiarbeitszeit die vielfältigsten Waffen gebaut. Wenngleich sie die Bedeutung noch nicht verstehen, kennen viele Kinder zahlreiche sexuelle Gesten und Begriffe, mit denen sie sich gegenseitig betiteln. Nicht selten lässt sie nicht mehr los, was sie im Fernsehen, im Internet oder auf Papas Video gesehen haben, und sie zeichnen nackte Frauen und Männer oder verunstalten Abbildungen auf den Arbeitsblättern entsprechend.
    Ich habe über die Jahre viele hundert Elterngespräche geführt und dabei zahlreiche verzweifelte Eltern getroffen. Da ist die alleinerziehende Mutter, die nachts arbeiten ging und deren Kind, seit es drei Jahre alt war, allein mit zwei Hunden daheim blieb, die Nachbarn schauten hin und wieder nach ihm. Warum? Diese Mutter tat das, um tagsüber für ihr Kind da zu sein und es nicht in den Hort geben zu müssen, sich aber zugleich durch die Vollzeitstelle eine Wohnung leisten zu können, die es ihr erlaubte, auch einmal eine Tür hinter sich zuzumachen. Dafür schlief sie seit nunmehr acht Jahren nur noch die vier Stunden am Vormittag, in denen ihr Kind in
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