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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Zimmern kommt von den quietschenden Laufschuhen auf dem Band. Die Musik habe ich noch nicht angeschaltet. Das hebe ich mir für später auf, wenn ich ein wenig Aufmunterung brauche. Heute fühle ich mich großartig, und ich stelle das Laufband recht früh höher. Dreizehn Stundenkilometer. Vier Grad Neigungswinkel. Das ist eine ganze Menge. Aber ich komme damit klar. Ich schalte meinen iPod ein und scrolle durch die Listen. Wem will ich heute zuhören? Dr. Dre? Snoop Dogg? Eminem? Der Tag heute fühlt sich eher nach New School an. Ich klicke auf Jay-Z.
    Nachdem ich mich geduscht habe, stehe ich im Ankleidezimmer, wo ich mir schon am Vorabend die Garderobe herausgelegt habe. Eine taillierte Wolljacke mit passendem Rock von Brioni, darüber einen Seidenparka, besetzt mit mongolischem Lammfell, und Ankle Boots von Prada. Dann zurück zu meinem Spiegel, wo ich bei meinem Anblick tief aufseufze; um diese frühe Uhrzeit biete ich keinen so hübschen Anblick, vor allem nicht, wo die helle Sonne direkt hinter mir durchs Fenster strömt. Trotzdem, irreparabel ist es nicht. Hier ein paar Striche und Tupfer, und ich bin so gut wie neu, oder so neu, wie ich eben sein kann.
    Dann senke ich langsam den Kopf und schließe die Augen. Ich weiß, dass unten der Wagen wartet. Ich weiß, dass draußen vor dem Fenster der Tag wartet. Ich weiß, dass hinter jeder Ecke die Geier warten, aber dafür ist jetzt keine Zeit. Ich konzentriere mich wieder auf meinen Atem. Atme tief ein, tief aus. Ein und aus. Ein und aus.
    Möge ich von liebender Güte erfüllt sein
    Möge es mir gut gehen
    Möge ich Frieden und Gelassenheit empfinden
    Möge ich glücklich sein
    Ich hebe das Kinn und öffne behutsam die Augen. »Zur Hölle mit ihm«, sage ich und schaue mir direkt in die Augen, »und mit all den andern da draußen, die genauso sind wie er.«
    In der Lobby treffe ich auf Maurice, der dort geduldig auf mich wartet. Er tippt sich an die Mütze, als ich näher komme, und reicht mir einen großen fettarmen Latte ohne Schaum. »Guten Morgen, Katherine«, sagt er in seinem gewohnt vertraulichen Ton.
    »Ebenfalls«, sage ich, meine übliche Antwort.
    »Heut ist es kalt«, sagt er und zückt mein Wall Street Journal. »Das Ding machen Sie am besten bis oben hin zu.« Missbilligend nickt er zu meinem Parka. »Wir müssen Ihnen ein paar wärmere Klamotten besorgen.«
    Ich lächele. »Maurice, mein Freund, Sie wollen gar nicht wissen, wie teuer dieser Parka war. Dafür kann ich ja wohl erwarten, dass er mich warm hält.«
    Als wir durch die Drehtür gehen, erhebt sich wie aufs Stichwort ein so heftiger Wind, dass es uns fast unmöglich ist, die Tür anzuschieben, obwohl wir uns mit vereinten Kräften dagegenstemmen. Maurice setzt eine »Hab ich’s nicht gesagt«-Miene auf. Er ist einfach hinreißend. Andernfalls würde ich mir derlei Sperenzchen nicht gefallen lassen.
    Die wahre Hektik eines New Yorker Morgens hat noch nicht begonnen: Das einzige Lebenszeichen auf der Park Avenue sind ein paar abgehärtete Jogger, unterwegs in den Central Park, und ein alter Mann, der den Müll vor der französischen Bäckerei auf die Straße kehrt. In der City ist das meine liebste Zeit. Manchmal bitte ich Maurice, die Fifth Avenue hinunterzufahren, nur damit ich aus dem Fenster schauen und den Frieden überall sehen kann. Auf der Welt gibt es nichts Beruhigenderes als eine leere Durchgangsstraße.
    »Soll ich vor dem Büro noch irgendwo halten?«, fragt Maurice, als er hinter das Steuerrad gleitet.
    »Heute nicht, danke.«
    Der Fernseher der Limousine ist auf CNN eingestellt, und ich starre auf den Nachrichtenticker. Plötzlich beginnt meine Tasche zu vibrieren. Mir wird klar, dass ich einen Anruf bekommen habe, was merkwürdig ist, weil mich keiner je vor acht Uhr morgens anruft. Ich hole mein BlackBerry heraus. Im selben Augenblick, wo ich die Nummer sehe, weiß ich, wer es ist und warum sie anruft. Ich gehe nicht dran.
    »Ist irgendwas Besonderes?«, fragt Maurice von vorn.
    »Nein, gar nichts«, erwidere ich.
    Nur dass ich nicht die Wahrheit sage. Der Anruf kam von meiner Mutter, mit der ich seit über einem Monat nicht mehr geredet habe. Aber ich weiß, warum sie anruft. Ich sehe auf das Datum oben auf dem Wall Street Journal, obwohl das eigentlich unnötig ist. Bisher hatte ich den ganzen Morgen nicht daran gedacht.
    »Hey, Maurice, Sie sollten heute lieber nett zu mir sein«, sage ich.
    »Warum sollte ich jetzt damit anfangen?«, fragt er.
    »Weil ich heute
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