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Was nach dem koeniglichen Ball geschah

Was nach dem koeniglichen Ball geschah

Titel: Was nach dem koeniglichen Ball geschah
Autoren: Michelle Celmer
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Behutsam führte er sie von der Tanzfläche, während Anne sich bemühte, die Fassung wiederzuerlangen.
    „Wohin?“, fragte Sam leise, als sie aus dem Ballsaal in das überfüllte Foyer gingen. Unzählige Menschen standen dort, nippten an ihren Drinks und unterhielten sich angeregt. Anne sehnte sich nach etwas Abgeschiedenheit, wo niemand Zeuge ihres unvermeidlichen Tränenausbruchs werden würde. Nach einem Ort, an dem sie ihre Kräfte sammeln und ihr Make-up auffrischen konnte, um danach zur Party zurückzukehren, als wäre nichts geschehen.
    „In mein Zimmer“, stieß sie hervor.
    „Nach oben?“, fragte Sam.
    Anne nickte. Mittlerweile biss sie sich so fest auf die Lippe, dass sie Blut schmeckte.
    Der Treppenaufgang war mit einem Seil abgesperrt und wurde von zwei Sicherheitsbeamten bewacht. Als Anne und Sam näherkamen, hakte einer von den Männern die Sicherheitsleine aus, um sie durchzulassen.
    „Ihre Hoheit war so freundlich, mir einen Schlossrundgang anzubieten“, erklärte Sam Annes Meinung nach überflüssigerweise. Dann bemerkte sie allerdings, dass Sam nicht die Wachen, sondern vielmehr die anwesenden Gäste angesprochen hatte, die ihnen neugierige Blicke zuwarfen.
    Sie würde sich später bei Sam bedanken müssen. Doch jetzt war ihr plötzlich noch mehr zum Weinen zumute, weil Sam sich derart um ihren Ruf sorgte und ihr offensichtlich Peinlichkeiten ersparen wollte. Auf halbem Weg in den zweiten Stock liefen ihr die Tränen über die Wangen. Und als sie schließlich ihr Zimmer erreicht hatten und Sam sie hineinführte, weinte Anne richtig.
    Sie hatte damit gerechnet, dass Sam sie jetzt allein lassen würde. Aber nachdem er die Tür geschlossen hatte, schlang er die Arme um Anne und zog sie an sich. Das Wissen darum, dass er sich um sie sorgte und deswegen blieb, berührte sie tief. Obwohl sie es versuchte, konnte sie die Tränen immer noch nicht zurückhalten. Sie umklammerte Sam und schluchzte laut – gleichermaßen beschämt und erleichtert über seine Anwesenheit.
    „Lass es ruhig heraus, Annie“, flüsterte er und strich ihr über den Rücken und das Haar. Da niemand außer Louisa sie jemals Annie genannt hatte, fühlte Anne sich ihm noch näher. Das ergab keinen Sinn, wenn man bedachte, dass sie ihn ja gar nicht kannte. Trotzdem fühlte es sich an, als ob sie etwas Besonderes miteinander teilten – etwas sehr Persönliches.
    So überraschend und überwältigend ihr plötzlicher Ausbruch gewesen war, so schnell war er auch wieder vorbei. Nachdem sie zu schluchzen aufgehört hatte, reichte Sam ihr ein Taschentuch, mit dem sie sich die Augen betupfte.
    „Nicht weinen“, sagte er sanft.
    „Bitte, erzählen Sie es niemandem!“, bat sie ihn, den Mund dicht an seinem Jackett.
    „Man würde mir sowieso nicht glauben.“
    Natürlich nicht, schließlich war Anne die Eisprinzessin – die Xanthippe ohne Herz. Doch in Wahrheit fühlte sie genau so wie alle anderen auch, allerdings konnte sie ihre Gefühle wesentlich besser verbergen. Sie wollte nicht länger die Eisprinzessin sein – zumindest nicht mehr an diesem Abend. Heute Abend wollte sie, dass jemand die wahre Anne kennenlernte.
    Sam wischte mit dem Daumen Annes letzte Tränen fort. Fasziniert sah sie in seine meerblauen Augen und spürte, dass sich etwas änderte.
    Später wusste sie nicht, wer von ihnen den ersten Schritt gemacht hatte – oder ob sie gleichzeitig gehandelt hatten. Aber in dem Moment, in dem sich ihre Lippen berührten, wusste Anne, dass sie keinen Mann so sehr begehrt hatte, wie sie Sam begehrte.
    Jeder Mann, der Prinzessin Anne vorwarf, sie würde kalt und gefühllos sein, hatte sie vermutlich niemals geküsst. Sie schmeckte gleichzeitig süß und salzig, nach Champagner und Tränen. Und sie erwiderte Sams Kuss mit einer unglaublichen Leidenschaft.
    Sam war nicht sicher, wer hier wen zuerst geküsst hatte, doch es kam ihm so vor, als hätte er ein wildes Tier aus dem Käfig befreit. Anne streifte ihm hastig das Jackett von den Schultern und über die Arme, sie löste den Knoten seiner Fliege. Im nächsten Augenblick zerrte sie an seinem Gürtel, öffnete seine Hose und griff unter seinen Slip, bevor Sam reagieren konnte.
    Leise fluchte er, als sie ihn umfasste. Unter normalen Umständen wäre ihm in Anwesenheit eines Mitglieds des Königshauses nie ein derartiges Wort über die Lippen gekommen. Er erkannte die Prinzessin kaum wieder. Sie war eine Frau, deren Leidenschaft entfesselt war. Fest drängte sie ihn
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