Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Sehnsüchten dieser Träume erfüllt.
    Nach Kapstadt war dann alles schiefgelaufen. Der Kapitän hatte eine sehr weit südlich verlaufende Route gewählt, um von den Ostwinden zu profitieren. Sie gerieten in einen Sturm, in Schneeböen und eine heftige Kreuzsee. Sechs Tage lang versuchten sie unermüdlich voranzukommen, dann gaben sie auf und kehrten in ruhigere Breitengrade zurück. Schiff und Besatzung waren sehr mitgenommen: zerbrochene Spieren, zerrissene Segel, zahlreiche Prellungen. Außerdem hatte sich ein Mastwächter, ein Junge aus Sables, beim Sturz von einem Marssegel die Schulter gebrochen. Der Steuermann flickte ihn, so gut es ging, wieder zusammen. Auch in den Laderäumen hatte der Sturm gewütet und einige Wasserfässer beschädigt.
    In Kapstadt nahmen sie einen Bretonen aus Guilvinec an Bord, der vorgab, von einem englischen Schiff desertiert zu sein. Er machte keinen besonders tüchtigen Eindruck, aber der Kapitän, stets auf der Suche nach Leuten, heuerte ihn an. Während des Sturms war der Mann, von allen Seiten verflucht, unter Deck geblieben und hatte schließlich behauptet, krank zu sein. Es ging das Gerücht um, dass er gar nicht desertiert, sondern wegen seines schlechten Zustands an Land gesetzt worden sei. Der Steuermann probierte einige seiner Heilmethoden an ihm aus, doch der Bretone magerte immer weiter ab. Zehn Tage, nachdem sie ausgelaufen waren, starb er. Obwohl niemand Zeit oder Interesse gehabt hätte, näher Bekanntschaft zu schließen, hinterlässt der Tod eines Kameraden jedes Mal Spuren.
    Auf den Karten war die Sankt-Paul-Insel inmitten des Indischen Ozeans verzeichnet. Der Kapitän hoffte, dort die Wasservorräte auffüllen zu können, und auf ein wenig Erholung für den Verletzten. Das Meer zeigte sich fortan wieder von seiner freundlichen Seite, mit langen gekräuselten Dünungswellen. Unter dem wolkenverhangenenHimmel schwebten Nebelbänke an ihnen vorüber. Sie fanden die Sankt-Paul-Insel und umrundeten sie: Es war ein erloschener Vulkan, von einem Fluss oder Bach keine Spur, genauso wenig von einem Landungs- oder Ankerplatz.
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Kurs auf Australien zu nehmen. Nach den Worten des Steuermanns war die sehr lange Westküste trügerisch, sandig, ohne Frischwasserquellen oder Zufluchtsmöglichkeiten. Die Südküste war noch weitgehend unerforscht. An der Ostküste hatten die Engländer zwei Strafkolonien gegründet, Sydney und Hobart Town in Tasmanien. Sie wollten es an der Nordküste versuchen, weil sie dann notfalls nach Java weitersegeln konnten oder zu den Sundainseln, zu einer der holländischen Kolonien.
    Nach der Sankt-Paul-Insel herrschte fast völlige Flaute. Die schwache Brise rieb die schlaffen Segel bloß seidig knisternd aneinander und hinderte sie daran, weiter nach Süden vorzudringen. Die feuchte Hitze wurde unerträglich. Der an Deck gebrachte Verletzte litt sehr, und dann erkrankten auch noch ein Schiffsjunge und der Schiffszimmermann, die beiden klagten unentwegt über Durst. Der Kapitän beschloss, das Wasser zu rationieren. Zwei Monate waren vergangen, seit sie Bordeaux verlassen hatten.
    Der Wind wehte wieder stärker, aber von vorn. Fünf Tage lang lavierten sie, nur um schließlich festzustellen, dass eine Gegenströmung jedes Fortkommen unmöglich machte. Das laue Meerwasser und die Hitze ließen die Luft im wie auf dem Schiff unerträglich schwül werden. Der Verletzte und die beiden Kranken lagen stöhnend vor dem Hauptmast, wo man sie hingebettet hatte. Das Gesicht des Kapitäns verfinsterte sich. Im Vorschiff kursierten Geschichten über Zwischenfälle, die sich auf seinen vorherigen Chinareisen ereignet haben sollen. Die Männer sangen abends nicht mehr.
    Der Schiffsjunge starb, ein netter kleiner Kerl aus Quimper in der Bretagne, sein Todeskampf bestürzte alle. Regengüsse verschleierten den Horizont, aber die Saint-Paul schienen sie absichtlich zu meiden.Als Nächstes erkrankte ein Matrose aus Sète, und dem Kapitän war die Verzweiflung deutlich anzumerken. Es kam zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Steuermann.
    Nach zwei Wochen Flaute, gefolgt von Gegenwind, kam endlich eine steife Brise aus Südwesten. Die Luft atmete sich wieder leichter. Doch unerklärlicherweise erkrankten darauf zwei weitere Matrosen. Zwei Tote, ein Verletzter und drei Kranke: Für eine Vollbesegelung waren nicht mehr genügend Leute vorhanden, und der Kapitän konnte trotz des günstigen Winds nur mit reduzierter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher