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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Rand der Steilküste zu schlafen, schien wenig ratsam. Er ging zur Senke zurück und stieg hinab, bis er unter Bäumen ein sandiges Plätzchen fand. Dort begann er, sich einen Unterstand zu bauen, indem er einige Zweige abbrach, sie verschränkte und gegen zwei dicht beieinanderstehende Stämme lehnte. Nicht weit davon wuchs Farnkraut, mit dem er die Löcher stopfte und sein Lager bereitete. Die provisorischeHütte würde ihn ein wenig vor schlechtem Wetter schützen. Und sollte ihn ein Tier oder ein Wilder im Schlaf angreifen, würde sie einstürzen und er aufwachen, zu seinen Spießen greifen und sich bis zum letzten Atemzug verteidigen. Er bezog wieder Stellung auf seinem Beobachtungsposten und blieb bis zur Abenddämmerung. Dunkle Wolken jagten über den Himmel. Die Meeresoberfläche kräuselte sich wie ein von silbernen Kämmen durchzogener See aus Teer, der Lärm von der Brandung draußen am Riff war ohrenbetäubend. Kein Licht, kein Signal weit und breit.
    Seit dem Aufenthalt in Kapstadt war das seine erste Nacht an Land. Bei der Erinnerung an Kapstadt musste er unwillkürlich lächeln. Die Überfahrt von Bordeaux aus war problemlos verlaufen, und während des einwöchigen Zwischenstopps hatte er an zwei Abenden Landurlaub gehabt. Zusammen mit drei Kameraden war er vom Hafen der Weltstadt aus auf Entdeckungsreise gegangen, sie hatten den Weißwein der umliegenden Hügel gekostet, in Englisch, Holländisch und Spanisch geradebrecht und die Stoffe und den Halsschmuck der schwarzen Frauen bewundert.
    Am ersten Abend waren sie ziellos umhergestreift, von Terrasse zu Taverne und von Taverne zu Terrasse, und hatten währenddessen Schoppen und Krüge geleert. In der vierten Kneipe war aus irgendeinem Grund Streit zwischen französischen und englischen Matrosen ausgebrochen. Sie hatten sich auf die Seite ihrer Landsleute geschlagen, den Engländern eine ordentliche Tracht Prügel verpasst und in der nächsten Taverne mit den neuen Freunden die Flucht der anderen begossen. Hinterher erinnerte sich keiner von ihnen mehr, wie es weitergegangen war, und auch nicht, wie sie wieder an Bord gelangt waren.
    Zwei Nächte darauf gingen sie erneut in die Stadt. Nach einer Mahlzeit aus Fleisch und frischem Gemüse hatten sie sich zu einem Etablissement begeben, von erfahrenen Matrosen empfohlen unddurch die rote Laterne, die draußen auf der Gasse hing, leicht zu erkennen. Die Mädchen erschienen, präsentierten sich und machten dabei ein paar Tanzschritte. Die vier Matrosen erhoben sich, trafen ihre Wahl, und man einigte sich auf den Preis.
    Ihm war die dunkelste Mulattin zugefallen. Sie zog ihn in eine der Hütten aus Stroh und Lehm, die sich hinten im Hof aneinanderreihten. Sie verstand kein Französisch, und er nutzte die Gelegenheit zu ein paar obszönen Bemerkungen, wobei er breit lächelte. Sie reagierte darauf mit einem langen unverständlichen Gemurmel und schloss die Tür. Im Raum befanden sich eine Strohmatratze, eine Waschschüssel und eine Kerze. Im Halbdunkel zog er seine Kleider aus und legte sich neben sie. Die Luft war warm, durch Löcher in den Wänden drang das Stöhnen seiner Kameraden, doch irgendwann beschäftigte er sich nur noch mit seiner eigenen Lust.
    Als er fertig war, wäre er fast eingenickt, so sehr lullte ihn die Wärme dieser dunklen Haut ein – aber dann signalisierten harte Schläge an der Tür, dass die bezahlte Zeit abgelaufen war. Er zog sich wieder an, traf auf seine Gefährten, und zusammen leerten sie noch einen Krug, während sie sich ihrer Liebesabenteuer rühmten.
    Er erreichte seine Hütte im letzten Dämmerlicht, schaffte es hineinzukriechen, ohne sie zum Einsturz zu bringen, und sich auf dem Farn niederzulegen. Es lag sich hart, vor allem aber war der Sandboden eben und unbewegt, ganz anders als seine gewohnte Hängematte. Auf der Weiterfahrt hatte er oft an die Hure aus Kapstadt gedacht und bedauert, sie nicht nach ihrem Namen gefragt zu haben. Ihr Gesichtchen, das er nur flüchtig wahrgenommen hatte, war ihm kaum noch in Erinnerung, umso mehr jedoch ihr Geruch und die Beschaffenheit ihrer Haut. Seine Gefährten hatten sich über ihr dunkles Aussehen lustig gemacht. Niemals zuvor war er während eines Landgangs mit einer Frau zusammen gewesen, deren Hautfarbe sich von seiner weißen so drastisch unterschied. Aber das machte nichts. Ihre Haut hatteihn in seinen Nächten in der Hängematte nicht mehr losgelassen, und als er jetzt ausgestreckt auf dem fremden Boden lag, war er von den
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