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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
Autoren: Louise Doughty
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sagt die Polizistin. »Sie wurde von der Fahrbahn geschleudert.«
    »Ich muss mich übergeben«, sage ich, und die Polizistin wirft einen Blick in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass niemand hinter uns ist, während sie auf die Bremse tritt und das Auto rasch und sicher zum Stehen bringt. Ich betätige den Türgriff, werde aber von der Kindersicherung aufgehalten; natürlich, damit niemand flüchtet. Mir wird schon schwindlig vor Panik, doch der junge Polizist schnallt sich mit einer raschen Bewegung ab und springt, als die Bahn frei ist, aus dem Wagen, um mir die Tür zu öffnen. Ich schaffe es bis zum Rinnstein.
    Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf … mein Mund würde mich schuldig sprechen. Ich bin rechtschaffen . Das Buch Hiob – da fiel es mir ein, während ich würgte und spuckte. Der Aufenthaltsraum in der Schule: grau und weiß. Jenny Ozu.
    Zwanzig Minuten dauert die Fahrt zum Krankenhaus, einem flachen roten Backsteinbau. Hier in der Gegend sind alle Bauten flach, als bestünde die Gefahr, dass die Unwetterwolken, die schwer über diesem Küstenstreifen hängen, Hochhäuser erdrücken könnten. In Wahrheit ist mehr als genug Baugrund vorhanden, allerdings muss er vor der Bebauung meist trockengelegt werden. Nur wenige Leute wollen hier wohnen. Wir sind fünfzig Kilometer von der nächsten richtigen Stadt entfernt, und die Fahrt führt durch sumpfiges Flachland, nur gelegentlich aufgelockert von einem Zwiebelfeld.
    Während wir im Dunkeln durch den Ort fahren, beginnt Regen schräg auf das Auto niederzuprasseln – hier fällt der Regen selten senkrecht vom Himmel. Die Polizistin muss neu in der Gegend sein, weil sie die Strandpromenade nimmt, obwohl es mit dem Verkehrsleitsystem schneller voranginge. Die Läden links von uns sind verrammelt und dunkel. Das einzige Licht strömt aus Mr. Yeung’s, der Imbissbude, wo hinter dem Fenster Jungs auf Barhockern lümmeln, die Köpfe in die Dreiecke ihrer Arme gebettet. Rechts von uns, hinter dem Geländer, verschwindet der Strand in einer Mauer der Schwärze mit den tosenden Wellen als Geräuschkulisse. Am Ende der Strandpromenade kommt uns auf dem Bürgersteig ein einsamer Hundehalter entgegen, der sich in den Wind stemmt. Er sieht aus wie John Warren, ein Patient von mir, der Ende siebzig und sehbehindert ist und beidseitig Kalkschultern hat. Ich mache mir kurz Sorgen, weil er draußen allein im Dunkeln unterwegs ist.
    Das Polizeiauto bremst, um auf die Hauptstraße einzubiegen. Dabei sehe ich eine zusammengescharte Gruppe dunkler Gestalten am oberen Ende der Betontreppe, die zum Strand hinunterführt. Ein paar von ihnen drehen sich zu uns um, als wir vorbeifahren, und unsere Scheinwerfer beleuchten ihre Gesichter, blass und starräugig – Wanderarbeiter aus Osteuropa. Die Polizistin und ihr Kollege wechseln einen Blick, während sie das Lenkrad einschlägt. In dieser Gegend werden keine Muscheln geerntet, nur manchmal Arbeitskolonnen zum Aufsammeln von Müll angeheuert. Zwar ist Ebbe, und es droht keine unmittelbare Gefahr, aber es ist eine ungemütliche Nacht, und im Dunkeln ist jeder Strand gefährlich. Die Polizistin schüttelt den Kopf.
    Wir schwenken auf den Krankenhausparkplatz ein, wie ich es immer mache, wenn ich zur Arbeit fahre. Normalerweise fahre ich bis zu dem kleinen Hof an der Rückseite, wo die Station für Rehabilitation und Physiotherapie liegt. Die Polizistin parkt nahe beim Haupteingang, und ihr Kollege springt sofort heraus und hält mir die Tür auf. Als ich schon erwarte, dass er mir die Hand reicht, um beim Aussteigen behilflich zu sein, tritt er respektvoll zurück und blickt mit starrer Miene hinunter auf den nassen Asphalt. Während ich mich aus dem Auto stemme, peitscht mir der Wind die Haare schräg ins Gesicht. Ich streiche sie mit der Hand zurück und gehe mit festen Schritten zum Eingang; meine Begleiter schließen sich an, einer vor, einer hinter mir, als könnte ich ihnen sonst womöglich entwischen und mich ins Meer stürzen. Innerlich flehe ich, dass niemand, den ich kenne, Dienst hat, denn dann wird mein Pakt mit mir selbst nichtig. Bis ich sie sehe, ist Hoffnung. Nur so kann ich einen Fuß vor den anderen setzen.
    Wir betreten den weißen, niedrigen Empfangsbereich der Notaufnahme. Instinktiv werfe ich einen Blick in die Runde, um zu sehen, was für Verletzungen warten. Auf den Plastikstühlen sitzt nur eine Gruppe, eine Großfamilie: fünf oder sechs Frauen, drei Kinder. Alle haben dichtes
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