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Was die Seele essen will

Was die Seele essen will

Titel: Was die Seele essen will
Autoren: Julia Ross
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spielte. Unsere weniger erfolgreichen Patienten waren oft »emotionale Esser«. Entweder konsumierten sie viele [17] Kekse, Eiscreme, Chips und Fastfood oder sie ließen Mahlzeiten ausfallen und tranken viel Kaffee und koffeinhaltige Getränke. Ich stellte Ernährungswissenschaftler ein, die die Möglichkeit einer Verbindung zwischen Ge­­fühlslage und Nahrung erforschen sollten. Schon bald begriffen wir, dass wir kurz vor einem gewaltigen Durchbruch standen. Klienten, die wir da­­von überzeugen konnten, dreimal am Tag viel Eiweiß und frisches Gemüse zu essen sowie Koffein, Süßes und modifizierte Stärke wie Weißbrot und Nudeln zu vermeiden, fühlten sich seelisch (und auch körperlich) erheblich besser. Wenn sie sich gut ernährten, konnten sogar diejenigen, die psychologisch sehr viel Arbeit vor sich hatten, Fortschritte in der Beratung machen, mit viel weniger Angst und Rückfällen. Die Patienten jedoch, die ihre Ernährung nicht umstellten, waren trotz neuer Kommunikationsfertigkeiten, Bewegung, langen Urlauben und moderaten Arbeitszeiten nicht an­­nähernd so erfolgreich.
    Diese Ergebnisse machten mir Mut, aber ich musste auch zugeben, dass es unabdingbar war, dass die Patienten, die es schafften, sich zehn Wochen konsequent daran zu halten, völlig auf ihr ungesundes »Schlechte-Laune-Essen« verzichten mussten. Für die meisten von ihnen bedeutete dies, zehn Wochen lang Heißhunger, Müdigkeit, Kopfschmerzen und nur langsam nachlassende Stimmungsschwankungen zu ertragen. Doch von großer Bedeutung ist auch, dass zu viele unserer Patienten einfach nicht durchhielten und sich wieder ihrem gewohnten schlechten Essen und den lähmenden Stimmungen hingaben.
    Wir brauchten noch etwas anderes.
    Die erstaunlichen Aminosäuren
    Etwa zu dieser Zeit, Mitte der 80er Jahre, hatte ich an der University of North Texas von der Arbeit des Neurowissenschaftlers Dr. Kenneth Blum gelesen. Der erfolgreiche Forscher untersuchte den Gehirnstoffwechsel von Alkoholikern und Drogenabhängigen. Im Laufe dieser Arbeit bestimmte er einige Gene, die das Gehirn so beeinflussen konnten, dass es die Produktion seiner wirksamsten »Gute-Laune«-Substanzen verringerte und stattdessen die »Schlechte-Laune«-Substanzen produzierte, die die Versuchspersonen so suchtanfällig machten. Dr. Blums Untersuchungen erklärten die perplexen Gefühle von Angst, Wut und Depression, die chronischen Schlafstörungen und das fehlende Wohlbefinden, das so viele Abhängige sogar während der Genesung plagte. Er nannte es das »Reward Deficiency [18] Syndrome« – das »Belohnungsmangel-Syndrom«. Diese Erkenntnis war schon für sich alleine faszinierend, doch Dr. Blum machte eine weitere, noch bemerkenswertere Entdeckung. Er fand heraus, dass er die Schlechte-Laune-Gene überwinden konnte, indem er seinen Versuchspersonen einige Nahrungsergänzungsmittel verabreichte. Diese Gehirnnahrung, Aminosäuren genannt, sind Bestandteile von einfachen Proteinen, die man in der Nahrung findet. Sie konnten den genetisch falsch programmierten Gehirnstoffwechsel der Abhängigen sofort in Gang bringen und deren Stimmung radikal verbessern. Das Fazit: Die Abhängigen, die die Aminosäuren einnahmen, schafften es, sich von Drogen und Alkohol fernzuhalten. Doch diejenigen, die keine Aminosäuren nahmen, hatten eine viermal höhere Rückfallrate. 7
    Ich war sehr begeistert, nachdem ich Dr. Blums Studien durchgesehen hatte. Ich hatte das Gefühl, dass die Aminosäuren der fehlende Bestandteil in meinem sich immer weiter entwickelnden Ernährungstherapieprogramm waren. Da diese Zusätze identisch mit denen waren, die man in der Nahrung findet, und anders als Medikamente nicht fremd für den menschlichen Körper sind, konnten meine Ernährungswissenschaftler und ich sie guten Gewissens empfehlen. Es war zweifellos einen Versuch wert.
    Die Kombination aus Ernährungstherapie und Psychotherapie
    Schon früh entschied ich mich dafür, die Aminosäuren drei Frauen zu geben, die mit Bulimie zu kämpfen hatten, einer Essstörung, die normalerweise sehr schwierig zu behandeln ist. Als sie zu uns in die Klinik kamen, hatten sie alle schon einige Zeit in der Psychotherapie sehr hart an sich gearbeitet, jedoch bisher ohne Fortschritte. Wie die meisten Bulimiker waren sie depressiv, zwangsgestört und selbstkritisch. Alle standen jedoch mitten im Berufsleben und waren verheiratet. Eine der drei Frauen war 26 Jahre alt und glücklich verheiratet, die zweite war 35 und in ihrer Ehe
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