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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß?
Autoren: Jared Diamond
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menschliche Kulturen als monogam bezeichnet werden; der Begriff»Harem«, den die Zoologen auf Zebras und Gorillas anwenden, ist eigentlich das arabische Wort für eine Einrichtung der Menschen. Viele Menschen praktizieren sequentielle Monogamie. Die Polygynie, langfristige, gleichzeitige Beziehungen eines Mannes mit mehreren Frauen, ist heute in manchen Ländern gestattet, und in einigen Kulturen kommt auch die Polyandrie vor: langfristige, gleichzeitige Beziehungen einer Frau mit mehreren Ehemännern. Vor der Entstehung staatlicher Einrichtungen war die Polygynie sogar in den meisten traditionellen menschlichen Kulturen anerkannt. Aber selbst in offiziell polygynen Gesellschaftsformen haben die meisten Männer jeweils nur eine Frau, und nur sehr wohlhabende Männer können es sich leisten, mehrere Frauen für sich zu gewinnen und zu ernähren. Die großen Harems, die einem bei dem Begriff Polygamie einfallen, zum Beispiel die der heutigen arabischen und indischen Herrscherhäuser, sind nur in einer Gesellschaft auf Staatsebene möglich, die in der menschlichen Evolution sehr spät entstand und wenigen Männern die Anhäufung großer Reichtümer ermöglichte. Die Verallgemeinerung ist also richtig: Die meisten Erwachsenen in den meisten menschlichen Gesellschaften sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt in einer langfristigen Paarbeziehung gebunden, die oft nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch in der Praxis monogam ist.
     
    Ein weiterer Anlaß zum Widerspruch ist wahrscheinlich meine Behauptung, die Ehe der Menschen sei eine Partnerschaft zum gemeinsamen Großziehen der aus ihr hervorgehenden Babys. Die meisten Kinder erhalten von der Mutter mehr Zuwendung als vom Vater. In einigen modernen Gesellschaften stellen ledige Mütter einen beträchtlichen Anteil der erwachsenen Bevölkerung, aber in traditionellen Kulturen war es für unverheiratete Frauen viel schwieriger, Kinder mit Erfolg großzuziehen. Auch hier gilt die Verallgemeinerung nach wie vor: Die meisten Kinder erhalten vom Vater eine gewisse elterliche Fürsorge in Form von Erziehung, Schutz und der Versorgung mit Nahrung, Wohnung und Geld.
     
    Alle diese Aspekte – langfristige Sexualbeziehungen, gemeinsame Elternschaft, Nähe zu den Sexualbeziehungen anderer, Sex im Privatbereich, versteckter Eisprung, erweiterte Bereitschaft der Frauen zum Sex, Sex als Vergnügen und die Wechseljahre der Frau – machen das aus, was wir als normale menschliche Sexualität bezeichnen. Wenn wir von den sexuellen Gewohnheiten der Elefantenrobben, Beutelmäuse oder Orang-Utans lesen, deren Leben so ganz anders aussieht als unseres, sind wir angeregt, amüsiert oder abgestoßen. Das Leben dieser Tiere erscheint uns seltsam, aber das erweist sich als speziesistische Interpretation. Nach den Maßstäben der 4300 anderen Säugetierarten auf der Erde und selbst nach den Maßstäben unserer engsten Verwandten, der Menschenaffen (Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans), sind wir die Seltsamen.
     
    Aber ich bin noch schlimmer als zoozentrisch: Ich tappe in die noch engstirnigere Falle des Mammalo-zentrismus. Werden wir normaler, wenn wir nach den Maßstäben der Nichtsäugetiere gemessen werden: Tatsächlich findet man bei anderen Tiergruppen ein breiteres Spektrum an Sexual- und Sozialsystemen als bei den Säugetieren. Während die Jungen der meisten Säugetierarten nur von der Mutter, aber nicht vom Vater versorgt werden, gilt für manche Vogel-, Frosch- und Fischarten genau das Umgekehrte: Hier sorgt der Vater allein für seine Nachkommen. Bei manchen Arten von Tiefseefischen wiederum ist das Männchen nur ein parasitisches Anhängsel des Weibchens; und einige weibliche Spinnen und Insekten fressen den Partner unmittelbar nach der Kopulation auf. Während Menschen und die meisten anderen Säugetiere sich immer wieder paaren, praktizieren Lachse, Tintenfische und viele andere Tiere den großen Fortpflanzungsknall, in der Fachsprache Semelparität genannt: Sie pflanzen sich ein einziges Mal fort, und dann folgt der vorprogrammierte Tod. Das Paarungssystem mancher Vogel-, Frosch-, Fisch- und Insektenarten (und auch einiger Fledermäuse und Antilopen) hat Ähnlichkeit mit einer Single-Bar: an einer festgelegten Stelle, dem Balzplatz, halten sich viele Männchen auf und konkurrieren um die Aufmerksamkeit der hinzukommenden Weibchen, von denen sich nun jedes einen Partner sucht (wobei oft mehrere Weibchen dasselbe Männchen auswählen), mit ihm kopuliert und sich dann wieder
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