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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Autoren: Theodor Fontane
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Boten nach, aber dieser ließ nur antworten: »Der Tag kommt, wo die Hunde beißen.« Er ging nun nach Rethra, wo der Haupttempel aller wendischen Stämme stand, und rief – die Obotriten standen selbstverständlich zu ihm – auch alle liutizischen Fürsten zusammen und erzählte ihnen die erlittene Schmach. Dann tat er sein Christentum von sich und bekannte sich vor dem Bilde Radegasts aufs neue zu den alten Göttern. Gleich darauf ließ er dem Sachsengrafen sagen: »Nun hab acht, Mistewoi der Hund kommt, um zu bellen, und wird bellen, daß ganz Sachsenland erschrecken soll.« Der Markgraf aber antwortete: »Ich fürchte nicht das Brummen eines Bären, geschweige das Bellen eines Hundes.« Am Tanger-Fluß kam es zur Schlacht, und die Sachsen wurden geschlagen. Das hatte Mistewoi der Hund getan. Die Unterwerfung, die 924 begonnen hatte, hatte 983 wieder ein Ende.
    Der Dom zu Brandenburg wurde zerstört, und auf dem Harlunger Berge erhob sich das Bild des Triglaw. Von dort aus sah es noch wieder 150 Jahre lang in wendische Lande hinein. Die Liutizen waren frei.
    Drei Generationen hindurch hielt sich, nach diesem großen Siege, die Macht der Wenden unerschüttert; Kämpfe fanden statt, sie rüttelten an der wiedererstandenen Wendenmacht, aber sie brachen sie nicht. Erst mit dem Eintritt des zwölften Jahrhunderts gingen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wendenstämme, untereinander in Eifersüchteleien sich aufreibend, zum Teil auch uneins durch die rastlos weiterwirkende Macht des Christentums, waren endlich wie ein unterhöhlter Bau, der bei dem ersten ernsteren Sturme fallen mußte . Die Spree- und Havellandschaften waren, so scheint es, die letzten Zufluchtsstätten des alten Wendentums; Brennabor, nachdem rundumher immer weiteres Terrain verlorengegangen war, war mehr und mehr der Punkt geworden, an dessen Besitz sich die Frage knüpfte, wer Herrscher sein solle im Lande, Sachse oder Wende, Christentum oder Heidentum. Das Jahr 1157, wie eingangs schon bemerkt, entschied über diese Frage. Albrecht der Bär erstürmte Brennabor, die letzten Aufstände der Brizaner und Stodoraner wurden niedergeworfen, und mit der Unterwerfung des Spree- und Havellandes empfing das Wendenland zwischen Elbe und Oder überhaupt den Todesstoß. (Rethra war schon vorher gefallen, wenigstens seiner höchsten Macht entkleidet worden. Nur der Swantewit-Tempel auf Arkona hielt sich um zwanzig Jahre länger, bis der Dänenkönig »Waldemar der Sieger« auch diesen zerstörte.)
    Soviel in kurzen Zügen von der Geschichte des Wendenlandes zwischen Elbe und Oder. Wir wenden uns jetzt einer mehr kulturhistorischen Untersuchung zu und stellen zusammen, was wir über Charakter, über Sitte, Recht und Kultur des alten Wendentums wissen.
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    Darüber, wo Rethra oder Ratare stand. schwebt noch immer der Streit. Man nennt folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Malchin, Röbel (am Müritz-See), Rhesa, Strelitz, Prillwitz, Kuhschwanz. Der letztere Ort, unpoetischen Klanges, hat zur Zeit die größten Chancen, als »Rethra« anerkannt zu werden. [Image: Zurück]
 
Von dieser Schlacht bei Lunkini (Lenzen) findet sich in Widukinds »Sächsischen Geschichten« eine ausführliche Beschreibung. Die Christen belagerten Lunkini, als die Nachricht eintraf, daß ein großes Wendenheer zum Entsatz der bedrängten Festung heranrücke und während der Nacht das Lager der Christen überfallen wolle. Ein furchtbares Unwetter indes, heftige Regengüsse hinderten den Angriff des Feindes. So kam der Morgen, und die Christen schickten sich nun ihrerseits zum Angriff an. Die Zahl der Wenden war so groß, daß, als die Sonne jetzt hell auf die durchnäßten Kleider der hunderttausend Wenden schien, ein Dampf zum Himmel aufstieg, der sie wie in eine Nebelwolke hüllte, während die Christen in hellem Sonnenlicht heranzogen und ob dieser Erscheinung voll Hoffnung und Zuversicht waren. Nach hartem Kampfe flohen die Wenden; da ihnen aber eine Abteilung den Weg verlegt hatte, so stürzten sie einem See zu, in dem Unzählige ertranken. Die Chronisten geben das Wendenheer auf 200 000 Mann an. »Die Gefangenen wurden alle, wie ihnen verheißen, an einem Tage geköpft.« ._.
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2. Lebensweise. Sitten. Tracht
    Sie spinnen,
Haben Linnen,
Sie regeln
Den Fluß und das Wehr,
Und mit Schiffen und Segeln
Sind sie zu Hause auf offnem Meer.

     
    Die Frage ist oft aufgeworfen worden, ob die Wenden wirklich auf einer viel niedrigeren Stufe als die vordringenden Deutschen
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