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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren
Autoren: Þráinn Bertelsson
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Hervar. »Möchtest du das Taschenbuch oder die gebundene Ausgabe?«
    »Die Taschenbuchausgabe reicht«, antwortete Terje. »Aber du kannst das nicht in Rechnung stellen; es ist für die Kripo Reykjavík.«
    »Das Buch ist gerade im Angebot, eintausendvierhundertneunzig Kronen plus Versandkosten«, sagte Hervar, der nicht nur bei den Autorenhonoraren geizig war. Kleinvieh macht schließlich auch Mist. »Wie ist dein Name?«
    »Terje Joensen.«
    »Terje Jóhannsson. Kripo Reykjavík. Und die Kartennummer?«
    »Joensen«, sagte Terje. »Mein Großvater war Färinger.«
    »Mit den Färingern bin ich schon immer gut klargekommen«, sagte Hervar, der noch nie im Leben einem Färinger begegnet war.
    »Was meinst du mit Versandkosten?«, fragte Terje. »Hör zu, das ist Unsinn. Ich komme einfach vorbei und hole das Buch. Dann können wir uns noch mal in Ruhe unterhalten.«
7
Mitleid
    Es tut weh, Kinder weinen zu sehen. Aber irgendwie ist es fast noch trauriger, wenn Erwachsene in Tränen ausbrechen. Vielleicht, weil Weinen bei Kindern an der Tagesordnung ist, ein natürlicher Bestandteil ihrer Ausdrucksweise, ein Warnsignal, das ankündigt, wenn ihnen etwas fehlt. Die Tränen eines Erwachsenen hingegen sind ein Rettungsanker, Resignation oder Anklage in einer ausweglosen Situation.
    Hauptkommissar Víkingur Gunnarsson hatte schon viele Erwachsene bitter weinen sehen – aus purer Verzweiflung, provozierender Arroganz, Reue, Selbstmitleid oder einfach, um ihr Herz auszuschütten. Manchmal fühlte er sich schuldig, wenn jemand weinte. Am Ende war zwar jeder selbst verantwortlich für die Situation, in die er sich hineinmanövriert hatte, aber Mitleid empfand man trotzdem. Man wusste einfach, dass man leicht in eine ähnliche Situation geraten konnte.
    Am schwierigsten war es, unschuldige Menschen weinen zu sehen aus Verzweiflung über Umstände, in die sie ohne eigenes Zutun geraten waren – vorausgesetzt, das Opfer war nicht genauso schuldig wie der Täter. Aber das ist eine andere Geschichte, dachte Víkingur, und es ist unangebracht, die eigenen Gefühle mit philosophischen oder theologischen Haarspaltereien zu unterdrücken, wenn eine unschuldige Person weint.
    Eigentlich war das Gespräch beendet. Und Víkingur hatte nichts anderes erreicht, als dass die Person, die er unterstützen und ermutigen wollte, vor ihm saß und weinte.
    Es war Guðrún.
    Die Tür hatte halb offen gestanden, und sie war in den Türspalt getreten und hatte gefragt: »Störe ich? Hör mal, Víkingur, ich muss was mit dir besprechen.«
    Víkingur hatte sie hineingewunken und sofort gemerkt, dass es sich um eine vertrauliche Sache handelte, da Guðrún sorgfältig die Tür hinter sich schloss.
    Zuerst die Arbeit: Sie erzählte ihm, Terje und sie seien gegen Ende ihres Bereitschaftsdienstes zu einem Leichenfund in die Rauðhólar gerufen worden, wahrscheinlich ein Selbstmord, zumindest deutete bislang alles darauf hin.
    »Keinerlei Hinweise von der Toten selbst«, sagte Guðrún. »Aber ist es nicht seltsam, dass so gar keine Spuren gefunden wurden, keine Fußspuren, keine Fingerabdrücke, kein Handy, gar nichts?«
    »Worauf willst du hinaus?«, fragte Víkingur.
    »Die Frau hat keine Handschuhe getragen. Trotzdem waren keine Fingerabdrücke auf dem Lenkrad, dem Schalthebel oder dem Armaturenbrett und auch nicht auf dem Türgriff. Es waren keine Fingerabdrücke auf dem Staubsaugerschlauch. Und in ihrer Wohnung haben wir keinen Abschiedsbrief gefunden, was vielleicht nicht unbedingt etwas zu bedeuten hat. Aber wir wissen, dass sie an einem Buch schrieb, doch das Manuskript scheint spurlos verschwunden zu sein – keine Notizen, kein Computer. Das finde ich jedenfalls merkwürdig. Gelinde gesagt. Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil das Buch, an dem sie schrieb, einigen Zündstoff enthalten haben soll.«
    »Ja«, sagte Víkingur. »Ich habe davon gelesen.«
    »Es stand schon jede Menge darüber in der Presse. Das Buch sollte Einblick in das Leben der Schickeria geben, in ihr Luxusleben im Ausland, Korruption und Machenschaften in Politik und Wirtschaft. Und dann diese Sache mit den untreuen Ehemännern.«
    »Stimmt«, sagte Víkingur. »Da waren die Erwartungen ziemlich hochgeschraubt.«
    »Meinst du, dass Freyja an diesen Erwartungen möglicherweise zerbrochen ist?«
    »Keine Ahnung, das habe ich so auch gar nicht gemeint«, antwortete Víkingur. »Aber wenn dir an diesem Todesfall irgendetwas komisch vorkommt, dann möchte ich, dass du dem
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