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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren
Autoren: Þráinn Bertelsson
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festzunehmen, ins Gefängnis zu sperren und des Mordes zu bezichtigen.«
    »Bist du jetzt auf einmal unschuldig?«, fragte Randver. »Gestern hast du doch noch was ganz anderes erzählt.«
    »Das ist ja wie in der Geschichte von dem Mann, der seine Eltern umbringt und den Richter anschließend bittet, ihn zu verschonen, weil er Waise ist«, bemerkte Dagný.
    »Da hört ihr es! Diese Person will sich an mir rächen«, stieß Sveinbjörn hervor und zeigte auf Dagný. Er hatte aufgehört zu weinen.
    »Warum sollte sie sich an dir rächen wollen?«, fragte Randver. »Hast du ihr irgendwas getan?«
    »Sie will sich an mir rächen, weil sie eine Frau ist«, sagte Sveinbjörn. »Das ist doch offensichtlich!«
    »Du solltest dich schämen und dir das, was du getan hast, vor Augen führen«, entgegnete Dagný.
    »Ich muss mit einem Arzt sprechen«, sagte der Mann. »Ich kann diese Drohungen nicht ertragen. Ich stehe unter Schock. Ich bin kein Mörder. Ich bin Opfer. Warum wollt ihr das nicht begreifen?«
    »Jetzt reicht’s aber langsam«, sagte Randver. »Das ist jetzt schon der dritte Ort, an den du uns schleppst, um uns zu zeigen, was du mit der Leiche gemacht hast. Zum dritten Mal fängst du an zu heulen und behauptest, unschuldig zu sein, obwohl du bereits alles gestanden hast und obwohl wir genügend Beweise haben, um dir die Tat zehnmal nachweisen zu können. Ich möchte dich jetzt bitten, dir zwei Dinge klarzumachen: Erstens ist es egal, wie sehr du jammerst und so tust, als seist du verwirrt – auch wenn du dich bis jetzt durch Heulen und Lügen immer entziehen konntest, wirst du damit nicht um die Konsequenzen herumkommen.
    Zweitens wird sich deine Position jedes Mal, wenn du uns an der Nase herumführst, verschlechtern. Wenn du die Sache nicht anders angehst, wird dein Urteil wahrscheinlich so hart ausfallen, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Zumindest werde ich veranlassen, dass die Anklage herausstellt, dass du nie einen Funken Reue gezeigt hast. Bis jetzt haben wir dich mit Samthandschuhen angefasst. Überleg dir also gut, wie es weitergehen soll.«
    Randver schlug den Mantelkragen hoch und zuckte mit den Schultern.
    »Helgi und Dagný, ihr bringt ihn zum Skólavörðustígur. Gehen wir.«
    »Läufst du selbst oder soll ich dir behilflich sein?«, fragte Helgi.
    Sveinbjörn stand erschöpft auf. Er schaute zu Dagný und zog die Nase hoch. Dann streckte er seine Hände in ihre Richtung und sagte: »Entschuldige. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
    »Du könntest mich nicht beleidigen, selbst wenn du es wolltest«, sagte Dagný und ignorierte seine ausgestreckten Hände. »Man ist nicht beleidigt, wenn man in Hundescheiße getreten ist.«
5
Kein Brief
    Freyja Hilmarsdóttir, 1. Etage rechts, stand auf der Türklingel. Die Schlüssel am Schlüsselbund, der im Zündschloss des Wagens gesteckt hatte, glitten mühelos in die Schnappschlösser an der Eingangstür und an der Wohnungstür im ersten Stock. Terje öffnete und reichte Guðrún anschließend den Schlüsselbund.
    »Nimm du ihn lieber. Auf mir lastet ein Fluch, der mich immer alle Schlüssel verlieren lässt.«
    Als sie den Flur betraten, sahen sie als Erstes einen Staubsauger, der mitten im Raum stand, so als könne er es nicht erwarten, als Zeuge aufzutreten. Ein stummer Zeuge. Der Schlauch fehlte.
    Es war eine Vierzimmerwohnung mit Küche, Bad und einem schönen Balkon. Der Wohnblock stammte aus den Jahren des Aufschwungs um 1960, und die Wohnung sah so aus, als sei seitdem nichts verändert worden: glatt furnierte Türen, schlichte, schmucklose Fußleisten. Das Wohnzimmer war groß, die übrigen Zimmer dementsprechend klein.
    Der Flur bildete den Mittelpunkt der Wohnung; von ihm aus gelangte man in die Küche, ins Wohnzimmer, ins Bad und in einen Gang, an dem die Zimmer lagen. Im Schlafzimmer stand ein frisch bezogenes Einzelbett. Der nächste Raum sah aus wie ein Museum; ein Mädchenzimmer aus den sechziger oder siebziger Jahren, drei Poster an der Wand: Che Guevara, Karl Marx – und Cliff Richard. Auf der Bettdecke am Kopfende saß ein gelber einäugiger Teddybär und starrte die Gäste ausdruckslos an.
    »Karl Marx und Che, na gut, aber Cliff Richard!«, meinte Guðrún. »Wer hätte das gedacht?«
    Die Wände des Arbeitszimmers waren mit Bücherregalen bedeckt. Ein einfacher Stuhl stand vor dem alten Schreibtisch. Hier herrschten Ordnung und Sauberkeit.
    Kein Abschiedsbrief weit und breit.
    Im Wohnzimmer stand eine Couchgarnitur im
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