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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren
Autoren: Þráinn Bertelsson
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Stones hören. Entweder man steht auf Mick Jagger oder auf John Lennon. Zu welcher Gruppe gehörst du?«
    »Zu keiner von beiden«, sagte Guðrún und dachte: Die Menschheit besteht aus zwei Gruppen. Da sind diejenigen, die permanent labern. Zu der anderen Gruppe gehöre ich. Die schweigende Mehrheit, das bin ich.
    »Vielleicht hat sich das ja auch geändert«, schlug Terje vor. »Vielleicht teilt sich die Menschheit inzwischen in diejenigen, die in der Zeitung den Sportteil lesen, und in diejenigen, die ihn nicht lesen.«
    »Ja, vielleicht«, entgegnete Guðrún und warf ihrem Kollegen einen Blick zu. Sie saß am Steuer, und Terje konnte sich voll und ganz auf den Unsinn konzentrieren, den er ununterbrochen von sich gab.
    Ein Leichenfund in Rauðhólar. Wahrscheinlich Selbstmord. Terje Joensen von der Kriminalpolizei und Guðrún Sólveig Hallsdóttir aus der Technischen Abteilung hatten ihren Bereitschaftsdienst gerade beenden wollen, als Frigg Stefánsdóttir, die diensthabende Beamtin der zweiten Wache, sie anrief und bat, zum Tatort zu fahren. Von Amts wegen hätten sich ihre Kollegen von der Tagesbereitschaft der R3-Gruppe, Kripo Reykjavík, um den Einsatz kümmern müssen, aber die hatten an diesem Tag etwas anderes vor. Um zehn Uhr musste der ganze Trupp raus zu einer erneuten Suchpatrouille nach der Leiche einer Frau, deren Ehemann abwechselnd behauptete, er habe sie ins Meer geworfen, vergraben, in einem Erdloch versteckt, oder aber vehement abstritt, irgendetwas über ihren Verbleib zu wissen.
    »Bist du heute irgendwie gefrustet?«, fragte Terje. »Die Menschheit besteht nämlich aus zwei Gruppen: diejenigen, die frustriert sind, und diejenigen, die nicht frustriert sind.«
    »Ich hab schlecht geschlafen.«
    »Wie alt bist du noch mal?«, fragte Terje.
    »Sechsunddreißig«, antwortete Guðrún. »Hast du schon mal drüber nachgedacht, dass die Menschheit aus zwei Gruppen besteht: diejenigen, die sechsunddreißig sind, und diejenigen, die nicht sechsunddreißig sind?«
    »Dann hast du ja noch ein paar feine Jährchen vor dir«, erklärte Terje. »Bevor du in die Wechseljahre kommst und wirklich Frust kriegst. Wir Männer werden in den Wechseljahren nicht von Frust, sondern von einer inneren Unruhe ergriffen, dem sogenannten Zweiten Frühling. Auf den kann man sich eigentlich freuen; kein Grund, genervt zu sein.«
    Ach nein?, dachte Guðrún. Wenn du wüsstest.
     
    Als ihr Mann gestern Abend zu Hause angerufen und ihr mitgeteilt hatte, er müsse im Krankenhaus Überstunden machen, hatte sie endgültig die Schnauze voll gehabt. Sie hatte ihm befohlen, sofort nach Hause zu kommen, da sie ganz genau wüsste, mit welcher Art Untersuchungen er beschäftigt sei. Falls er je wieder mit ihr reden wolle, solle er gefälligst sofort seinen Hintern herbewegen.
    Als Bergþór zu Hause war, sprach sie erst mit ihm, nachdem die Kinder im Bett waren. Als sie ihm dann erklärte, sie wüsste von seinem Verhältnis, versuchte er gar nicht erst zu widersprechen, sondern gab die Sache mit der blonden Krankenschwester von der Unfallstation gleich zu – Guðrún nannte sie im Geiste längst die Silikonschlampe.
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Es ist einfach passiert. Hat sich so ergeben.«
    »Sie ist ja sogar älter als du«, sagte Guðrún. »Oder hat sie dir das verschwiegen?«
    »Darüber hab ich wirklich nicht nachgedacht«, entgegnete Bergþór. »Sie interessiert sich einfach dafür, was ich mache. Du interessierst dich nur für deinen Job. Das kann ich dir natürlich nicht vorwerfen.«
    »Nein, wie verständnisvoll. Ja, ich interessiere mich für meinen Job, und ich interessiere mich – stell dir vor – für meine Kinder! Interessiert sich diese verdammte geschiedene Nutte auch so brennend für unsere Kinder?«
    In dem anschließenden langen, zähen Gespräch hielt Bergþór sich zurück, fingerte aber nervös an den Haaren über seinen Ohren herum.
    Sie hätte ihn umbringen können.
    Sie hätte sich ihm in die Arme werfen können.
    Sie tat weder das eine noch das andere.
     
    Den Spuren nach zu urteilen, hätte es gar nicht eindeutiger sein können.
    Selbstmord.
    Die Frau hatte einen Staubsaugerschlauch auf den Auspuff gesteckt und das andere Ende durchs Hinterfenster in den Wagen geführt. Dann hatte sie ruhig auf dem Fahrersitz gesessen und auf die Ohnmacht und den Tod gewartet.
    Eine Kohlendioxidvergiftung wie im Lehrbuch: Verfärbung des Gesichts, Flecken um die Augen.
    Die Leiche hatte
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