Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren
Autoren: Þráinn Bertelsson
Vom Netzwerk:
Gesellschaft und im sozialen Miteinander. Obwohl er sie darauf hinwies, dass diese Schranken in Wirklichkeit nur in den Köpfen derjenigen existieren, die an sie glauben wollen. Es gab keine Grenzen. Keine wirklichen Hindernisse. Ebenso wenig wie Längen- und Breitengrade. Alles nur Einbildung, an die die Herde glauben will.
    Er war kein Herdentier. Nicht einer von vielen. Er war Jäger, nicht Beute.
    Ein Sieger.
    Die oberste Priorität war jetzt, zu verschwinden. Nach Hause zu fahren und Manuskript, Reisepass, Personalausweis und das allernotwendigste Gepäck zu holen.
    Und das möglichst schnell. Selbst die isländische Polizei konnte irgendwann gefährlich werden.
52
Plan C
    Er brauchte nur fünf Minuten, um sich die Haare abzurasieren. Diese fünf Minuten waren gut investierte Zeit. Als er dann noch eine altmodische Opabrille aufsetzte, blickte ihm der estnische Koch Andrus Rahula im Spiegel entgegen.
    Trotzdem hatte er sich noch nicht entschieden:
    Fahren oder bleiben?
    In Keflavík ein Ticket für den nächsten Flug kaufen?
    Das Auto irgendwo stehen lassen, in einem Versteck bis zum Morgen warten und dann in einem unauffälligen Gästehaus in der Ránargata einchecken?
    Draußen war es verdammt kalt. Unmöglich, irgendwo auszuharren und auf das eisige Tageslicht zu warten.
    Es war aber auch nicht besonders sinnvoll, nach Keflavík zu fahren und durch den Kauf eines Tickets auf den letzten Drücker Verdacht zu erregen. Was, wenn die Maschine sich verspäten und bewaffnete Hohlköpfe mit Spürhunden, die doppelt so schlau waren wie sie, nach ihm suchen würden?
    Keine der beiden Varianten war gut. Er musste Plan C ausarbeiten:
    Sich ins Auto setzen. Aus der Stadt an einen abgelegenen Ort fahren und im warmen Auto bis zum Morgen warten. Musik hören. In die Stadt fahren, sobald es dämmerte. Den Wagen loswerden. In einem Café oder Hotel frühstücken.
    Anschließend ein Gästehaus suchen.
    Okay. Plan C.
    Er war unbesiegbar.
     
    Als er mit dem Aufzug nach unten fuhr, dachte er, dass er vielleicht das letzte Mal dieses Haus betreten hatte. Es war ihm völlig gleichgültig. Er verband keine sentimentalen Erinnerungen damit. Seine Eltern hatten das Haus im Laugarásvegur, in dem er aufgewachsen war, während seines Auslandsaufenthalts verkauft und stattdessen eine Wohnung erstanden – zwar in der Skúlagata mit Blick aufs Meer, aber in einem Wohnblock.
    Natürlich hatte er die Wohnung geerbt. Sie befand sich jetzt im Besitz von A&B Enterprises in Guernsey. Er freute sich schon darauf, wenn die Abteilung für Wirtschaftskriminalität versuchen würde, die Eigentümer der Firma ausfindig zu machen. Vermutlich wäre sie dann ohnehin schon abgewickelt, und die Mitarbeiter wären arbeitslos.
    Als er vors Haus trat und auf seinen Wagen zuging, hörte er, wie eine Autotür zuschlug. Zwei Männer näherten sich ihm. Junge Männer.
    Der eine war blond und braun gebrannt, mitten im Winter. Ein Bodybuilder. Eine Anabolikaschleuder. Der andere war kahl geschoren, Dreitagebart, fett und x-beinig.
    Polizisten?
    Nein. Ganz sicher nicht. Als sie näher kamen, erkannte er sie.
    »Hey, du?«, rief der Blonde.
    Er konnte nicht so tun, als würde er ihn nicht hören. Am besten, er redete mit den Männern.
    Er blieb stehen. Steckte die Hand in die Hosentasche und umfasste den Griff der hübschen Pistole, mit der Elín ihn hatte erschießen wollen. Wirklich mutig.
    »Are you talking to me?«, sagte er und lächelte den beiden Riesen zu. »I’m sorry, but I don’t speak Icelandic.«
    »Sorry«, sagte das Goldköpfchen. »But maybe you can help us. We are looking for Mister Eysteinn Brandsson.«
    »Einstein who?«, sagte Andrus Rahula und lachte in sich hinein. »Don’t know him. Sorry.«
    »But he lives up there«, sagte Goldköpfchen und zeigte hoch zum achten Stock des Wohnblocks.
    Andrus Rahula folgte seinem Finger mit den Augen und schaute nach oben. Im selben Augenblick zog der Fettwanst ihm einen Knüppel über den Hinterkopf. Er ging sofort zu Boden. Goldköpfchen beugte sich hinunter und drückte ihm ein scharfes Messer unters Kinn – dasselbe Messer, das der Blonde in Freyjas Wohnung in Álfheimar vergessen hatte, als er sie bedroht hatte, damit sie ihm das Manuskript für ein hübsches Sümmchen aushändigte; das Messer, das er anschließend beiseitegelegt und vergessen hatte; das Messer, das er sofort wieder geholt hatte, als er hörte, dass die Polizei den Tod dieser unkooperativen Frau untersuchte.
    »Glaubst du etwa,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher