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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren
Autoren: Þráinn Bertelsson
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ruhigzustellen. Während Eysteinn noch zusah, wie seine Wanderschuhe auf die Schläfe des Mannes trafen, erkannte er seinen bezwungenen Gegner sofort. Es war Hauptkommissar Víkingur Gunnarsson, der Meister höchstpersönlich; der Trumpf der Kripo Reykjavík, bewusstlos und ungefährlich.
    Die Frau im Bett schien ihm nicht sonderlich dankbar dafür zu sein, dass er sie von dem Mann befreit hatte. Sie hatte Eysteinn erkannt, hockte nun auf allen vieren im Bett und tastete verzweifelt nach etwas unter dem Kissen. Eysteinn packte sie am Knöchel und zog sie vom Bett. Doch sie hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte: eine kohlrabenschwarze Smith & Wesson. Sie drehte sich um, hielt den kurzen Pistolenlauf umfasst und versuchte, den Schaft in die Hand zu bekommen, aber Eysteinn trat ihr die Waffe blitzschnell aus der Hand. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und gab ihr eine Ohrfeige, dass ihr schwarz vor Augen wurde.
     
    Als Elín kurz darauf wieder zu Bewusstsein kam, wurde sie geblendet und schloss die Augen schnell wieder. Als sie sie das nächste Mal öffnete, schaute sie geradewegs in den Lauf ihrer Smith & Wesson, 4040PD, sechs Schuss im Magazin plus ein Schuss im Lauf, Kaliber.40. Ihr Onkel Gestur Oddleifsson hatte sie ihr an dem Tag geschenkt, als er ihr anvertraute, dass sie in Kürze in das Amt der Landespolizeiführung berufen würde. Der Lauf war so kurz und die scharfe Pistole so unauffällig, dass Gestur ihr spaßeshalber geraten hatte, darauf zu achten, sie nicht versehentlich anstelle ihres Lippenstifts aus der Tasche zu holen.
    Jetzt ruhte die Waffe in Eysteinn Brandssons Hand. Er schaute Elín grinsend an.
    »Du hättest nicht gezögert, mich zu erschießen«, sagte er. »Da ist es doch nur fair, wenn ich den Spieß umdrehe.«
    »Ich wollte niemanden erschießen«, entgegnete Elín. »Lass uns vernünftig sein, Eysteinn. Leg die Waffe weg, und wir reden über die Sache.«
    »Welche Sache?«
    »Du bekommst höchstens sechzehn Jahre – wahrscheinlich sogar weniger, wenn du zugibst, Freyja Hilmarsdóttir ermordet zu haben, vielleicht aus Eifersucht, weil sie eure Beziehung beenden wollte. Nach ein paar Jahren wärst du alle Probleme los. Aber wenn Víkingur und mir etwas geschieht, sorge ich dafür, dass du bis ans Ende deiner Tage im Knast sitzt.«
    »Willst du mir drohen?«, fragte Eysteinn.
    »Aber nein. Ich versuche nur, dich zur Vernunft zu bringen.«
    »Weißt du was?«, sagte Eysteinn. »Manchmal hab ich mir vorgestellt, wie es wäre, dich zu vögeln. Aber jetzt hätte ich überhaupt keine Lust mehr dazu. Du bist fett und dumm, eine verwöhnte Schlampe, die von nichts eine Ahnung hat. Als Landespolizeichefin bist du lächerlich. Was glaubst du, wie es ist, unter dir zu arbeiten? Du bist doch eine Kuh. Kapierst du das?«
    Elín schwieg.
    »Kapierst du das?«, fauchte Eysteinn, und Speicheltropfen landeten auf Elín.
    »Ja«, sagte sie.
    »Wie: ja?«
    »Ja, das kapiere ich.«
    Eysteinn war so wütend über ihre Reaktion, dass er nach Luft schnappte. Elín spürte seine Anspannung physisch.
    Plötzlich packte er ihr Haar und drückte ihr den Pistolenlauf gegen die Schläfe. Sie schloss wieder die Augen.
    Lieber Gott, nicht, nicht, nicht, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Steh auf«, befahl er. Als ihr klar wurde, dass sie noch am Leben war, versuchte sie, auf die Füße zu kommen.
    Er stand dicht hinter ihr. Nahm den Pistolenlauf von ihrer Schläfe, und sie spürte, wie sich der Lauf in ihren Rücken bohrte.
    »In die Küche«, zischte er. »Geh.«
    Elíns Beine bewegten sich mechanisch vorwärts. Es war, als sei jegliches Gefühl aus ihrem Körper gewichen. Sie spürte nur noch ihr Herz in der Brust hämmern.
    Als sie in die Küche kamen, schaltete Eysteinn das Licht ein. Dann stieß er Elín weiter und schob sie so, dass sie mit dem Gesicht dicht an der blanken Wand neben der Einbauküche stand.
    »Keine Bewegung«, sagte er. »Kapiert?«
    Sie nickte hastig und stieß sich dabei das Kinn, sodass sie einen Schritt zurücktreten musste. Er presste sie wieder gegen die Wand.
    »Ruhig, hab ich gesagt!«
    Sie hörte, wie er Besteckschubladen durchwühlte, und hielt die Luft an. Na klar, ein Schuss wäre so laut, dass alle Nachbarn es mitbekämen. Mit einem Messer dagegen würde er … Sie schloss die Augen wieder.
    Oh lieber Gott, Gott, nicht, nicht.
    Er war jetzt dicht hinter ihr, und sie spürte, wie sich etwas in ihren Rücken bohrte.
    Bitte lass ihn nicht zustechen …
    Doch es war nur die Pistole,
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